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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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Olivenbäumen aufflatternden Krähen übergingen: Alle Jungen des Dorfes streichelten in diesem Moment als Reaktion auf Mutters Versprechen die Schwestern.
    Mama selber verschönerte gerade ihr Gesicht: Kajal für fließende, ägyptische Augen mit schwarzen, tränenförmigen Augenwinkeln, die das Weiß des Augapfels betonten; perfekte Rouge-Kreise auf glänzenden Wangen; mit einem Stück Walnußbaumrinde rieb sie sich die Zähne weiß, doch färbten sich Zahnfleisch und Lippen dadurch so dunkel wie Gazellenlefzen; nun noch Rosenwasser und Lavendel für Hals und Achseln. Die hennaroten Finger waren Jujuben.
    Geschmackvoll abgerundet wurde das Ganze mit einem lila eingefaßten Schleier.
    Der Karren, gezogen von einem augenklappenbewehrten Maulesel, traf ein. Der Eseltreiber, ein magerer Greis mit langem Gesicht, zerrte mit dem dazugehörigen »u-hu« am Zaumzeug. Staub legte sich wie ein Brautschleier auf den schweißnassen Widerrist des Esels. Ein Frühling aus tausend Farben und Gerüchen trat aus den Türen, und der Eseltreiber wäre fast vom Bock gefallen. Die Frauen schepperten in den Wagen hinein, so üppig war ihr kupferner und silberner Schmuck. In Anwesenheit ihrer Männer wickelten sie sich von Kopf bis Fuß in weiße Überwürfe, jetzt aber hatten sie diese über die Unterarme gelegt, so daß sie über den Boden schleiften und die Schulterpolster ihrer bunten Kleider deutlich zu sehen waren. Nur Halsketten aus Bernstein und Lapislazuli bedeckten die obere Brust.
    Die Jungen standen in den Haustüren und sahen den Müttern nach, ohne ihr Winken zu erwidern: Sie hielten ihre widerstrebenden Schwestern im Arm oder im Schwitzkasten, wild entschlossen, das gegebene Versprechen, brav zu sein, auch zu halten. Ihre Augen waren so rund und vor Erwartung glänzend wie die versprochenen glasierten Äpfel. Die sieben Babys schliefen in einem kühlen Raum, beaufsichtigt vom ältesten Mädchen des Dorfs, fünfzehn war sie und voller pubertärer Launen und Rundungen: Weder wollte sie mit Jungs schlafen noch ihre Haut der Sonne bloßstellen, ihre Wölbungen konnten sich zwischen Stolz und der Furcht vor Fettsucht noch nicht entscheiden.
    Die Peitsche kringelte sich in der Luft, knallte zufrieden; der Wagen setzte sich fast kenternd in Bewegung. Der Eseltreiber schüttelte sich vor Lust und grinste über die Rosensträucher und Obsthaine hinter ihm, in Rauschen versetzt von den unruhigen und wohllautenden Vögeln ihrer Stimmen. Er fuhr jetzt langsamer, gab dem Maulesel die Anweisungen lauter als nötig. Die Frauen zitterten und schwirrten vor lauter bezauberndem Entzücken wie Prinzessinnen in ihren verschlossenen Gärtlein. Wartet nur, dachte er, wenn ich das den Brüdern im Teehaus erzähle! Die Geschichten des Teppichhändlers würden dagegen verblassen, und seine Teppiche auch.
    Sie kamen an Mamurra vorbei. Die Frauen steckten die Köpfe zusammen, tuschelten, und wie herausgeputzte Strauchgewächse erbebten sie vor Fröhlichkeit, als ihr Krähenlachen aufflatterte. Der schwankende Wagen, der durch die schiefen Räder schmale Hüften zu haben schien, hinterließ eine Spur aus Linien und Sicheln. Linien und Sicheln. Linien und –
    »Hu!« rief der Eseltreiber, und der Maulesel blieb stehen.
    Melancholisch ließ er den Kopf hängen, durch die Augenklappen erblindet, ein vierbeiniger Schwarzseher.
    Der Wagen stand vor dem Eingang zum Lumpenmarkt auf dem großen Platz der kleinen, roten Stadt. Menschentrauben warteten auf die Busse. Diese kamen an und fuhren weg, bis zum Anschlag voll mit Passagieren, Köpfe ragten aus Fenstern, ein Fahrgast saß sogar auf dem Dach. Leute, die mit Busfahren bisher noch keine Erfahrungen gemacht hatten, benutzten die Schultern und Nacken anderer als Trittbretter, um einen Platz zu ergattern. Im Gedränge wurde einem Jungen die Mütze gestohlen, ohne daß er es der Mutter zu sagen wagte, die ihn wie ein Gepäckstück hinter sich herschleifte. Abgase von Solexen und Autos. Klingelgeklingel. Passantengeschrei. Ein vor einer durcheinandergeratenen Ampel wartender Esel preßte eine perfekte Kugel aus seinem Hintern, der sich wie eine Rosette öffnete und wieder schloß. Ein Polizeibeamter ruderte heftig mit den Armen, pfiff sich die Backen rund und die Lungen leer, doch der Verkehr auf Rädern, Hufen, Babuschen und Schuhen wollte gar nicht geregelt werden. Zwei Männer in braunen, grobwollenen Gewändern, der eine saß seitlich auf einem Esel, und der andere trug einen Schnappsack und neue
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