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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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ans Ufer gesetzt.
    Langsam stippte sie ihre flaumigen Finger ins Naß und zog Schnörkel und Kringel ins Wasser, eine unleserliche Handschrift. Ein paar Locken fielen ihr in die Stirn, neugierig, was die Hände da taten. Aus hochgezogenem Mundwinkel blies sie sie weg. Die Wasserrillen versuchten, ihre Hände mit sich zu ziehen, bildeten ein Kreiselnest für etwas, das sie wohl für einen kleinen Schwan hielten. Das schien sie zu erfrischen, ihre ganze Haut sog die Feuchtigkeit auf.
    »Mein lieber Baba Baluk«, hob sie an. Was anfangs ausgesehen hatte wie blaue Reflexe im Haar, waren jetzt tatsächlich blaue Blumen, Flachs. Sie schöpfte Wasser und führte die gekrümmte Hand zu ihrem getüllten Mund, wie neugeboren bebte das Wasser in der Hand. Sie trank und zupfte danach mit nassen Fingern an ihren Weidenlocken.
    »Warum läßt du dir das gefallen?«
    Der Kuckuck rief ein paarmal seinen eigenen Namen. Sie schöpfte noch einmal aus dem Born, eine Nabelschnur aus Wasserzapfen zwischen den Fingern, eine weitere Geburt. Jetzt war sie gelabt, die Augen erquickt, das Gesicht taubedeckt.
    »Man kann sich verteidigen. Und nicht nur mit den Händen.«
    Sein Gewand lag zu weit weg, um es erreichen zu können, auch sein Stock und sein Schäfersack, welcher ihm als Feigenblatt hätte dienen können, dessen Kumpane sich übrigens ebenfalls außerhalb seiner Reichweite bewegten.
    »Du bist noch nicht sehr reif.«
    Jetzt erhob sie sich resolut, griff sein Gewand und setzte sich auf einen Felsen.
    »Komm und hol es dir.«
    Er hätte heulen können. Sie hatte die Knie aneinandergepreßt, die Zehen aufgestützt und zog die Schultern hoch, als sie das Kleidungsstück an die Brust drückte. Nacht, Morgenabendrot und ein noch unvollendeter Mond – daraus bestand sie. Ihre Augen waren verschattet, die Arme samtüberzogen von haarigem Licht.

    Langsam stieg Baba Baluk aus dem Bach, das Wasser glitt in Schlieren von seinem Körper wie von einem Felsbrocken, und trat auf sie zu. Sein Fisch schwappte hin und her.
    »Du bist«, sagte sie, während sie genau hinschaute, »du bist«, wiederholte sie mit so etwas wie Bewunderung und Erfahrung in der Stimme, »groß geworden.« Und brach in ein Lachen aus. Dann gab sie ihm sein Gewand zurück, das er verkehrt herum anzog.
    »Es gibt so viel, was ich dir erzählen muß«, fuhr sie fort,
    »und noch viel mehr, was ich dir beibringen muß. Komm her und hör zu.«
    Es kam zu einer kleinen Rangelei, als sie versuchte, ihn an sich zu ziehen, und er sich wehrte. Im Baumgeäst erhob sich ein Aufstand, die Ziegen stürzten davon, schleiften die Stengel der Disteln mit, die Zweige schienen den Armen des Mädchens beizustehen. Schäfer und Mädchen waren in ein Gestrüpp gestürzt. Er kullerte in ein Wirrwarr aus weichen, aber starken Armen, Zweige und Äste pieksten ihn. Schließlich gab er jeglichen Widerstand auf und lag in ihrer Umarmung. Ihr Atem war warm und süß, als hätte sie gerade warme Erdbeeren gegessen, ihre feuchten Handflächen unter seinem Kinn rochen nach Anis, die Spitzen ihrer Locken kitzelten ihn an der Stirn.
    Er legte seinen Kopf auf ihre Hüfte.
    Wunderbar war das Geräusch des Windes im Feigenbaum und wunderlich der Laut des kleinen Bachs, als er die Augen schloß und sich sogleich in einer Welt befand, deren Inneres mit dem Stoff ihres Kleides gefüttert war. Ihr Atem hollerte ihm über das Gesicht. Sie umschloß ihn wie die Schale einer Frucht das Fleisch. Als sich auf ihrer Haut die Haare stellten, fühlte sich das an wie die Oberfläche handgeschöpften Papiers, ansonsten aber war sie nestwarm und daunenweich.
    Im Bachbett glitzerte ein Goldpfeil.
    »Hör zu!«

    Schon bald nach der Abreise bekam Baba Baluk Probleme mit seinem fliegenden Teppich. Die Männer des Dorfes saßen auf einem Teppich der Marke Peri Banu – »Die hatten einen, logisch!« klagte Mamurra bitter –, der Dorfälteste hatte den Männern das Fluggerät zur Verfügung gestellt. Ein Familienteppich mit einer Tragekapazität von genau sieben Personen, nicht mehr als achthundert Kilogramm, wie auf dem Etikett zu lesen stand, und: Nicht in Kontakt bringen mit Wasser und Frauen. Frauen durften keine Teppiche fliegen.
    Während er behende von einer Sphäre zur nächsten kletterte und an die Vorhaltungen seiner Frau dachte, lächelte er und hatte Respekt vor der Weisheit des Teppichfabrikanten:
    »Kinder (m/ – ) nur unter väterlicher Aufsicht«. Er würde seinem Kind das Fliegen beibringen.
    Die Männer flogen

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