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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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Sammelreisig, in die Stadt aufbrachen, um dort ihre Waren zu verhökern. Baba Baluk stürzte aus dem Haus, den Hügel hinab. Auf halbem Weg bremste er, rannte den Hügel wieder hoch, um die Ziegen mitzunehmen. Cheira und Heira standen in der Tür und winkten mit Schäfersack und Krummstab, doch er sah sie nicht. Am Fuß des Hügels blieb er erneut stehen, lief abermals nach oben, riß den beiden den Sack aus den Händen, wollte wieder davonsausen, doch die Zwillinge hielten ihn am Kragen fest. »Urgh«, sagte er. Sie gaben ihm den Stock und auf Hinterkopf und Hintern jeweils einen Klaps. Er rannte den Hügel wieder hinunter. Die Ziegen stoben auseinander. Er stemmte die Fersen in den Boden und blieb schlitternd stehen, machte kehrt, stürzte den Hügel wieder hinauf, wo noch immer Cheira und Heira standen und lächelten, gab jeder einen Kuß und jagte wieder davon. Etwas ließ ihn mit aufgerissenen Augen wieder innehalten, bevor er ein weiteres Mal hügelan lief. Cheira und Heira, die gerade ins Haus wollten, drehten sich, als er an ihnen vorbeiflitzte, erstaunt nach ihm um. Unter dem Johannisbrotbaum stand der Esel, peitschte mit dem Schwanz und fraß Heu; er zog gerade irgendeine unter der Haut liegende Falte glatt und zeigte – wie Nevernym – zahlreiche andere Nerventicks, aber deshalb gleich fliegen? Nö!
    »Guten Morgen, Vögel!« Der Baum schüttelte ein paar Vögel von sich ab, die kreischend davonflatterten.

    Baba Baluk setzte sich auf den Esel und gab ihm die Sporen; träge setzte sich das Tier in Bewegung, der Schäfer stieß ihm rascher die Fersen in die Flanken – der Rhythmus seines Herzens –, und im Zuckeltrab ging es den Hügel hinunter.
    Baba Baluk spornte ihn an. Senunu hatte ihn schon längst überholt.
    »Hu! Hu!« rief Baba Baluk.
    Der Bach hatte gut geschlafen und plätscherte fröhlich und pausenlos murmelnd in seinem Bett. Die Feigenbäume hatten Gesellschaft von Sträuchern bekommen, deren Zweige sich schüttelten, bewegt vom Wind oder von den darin sich verheddernden Eidechsen oder Vögeln, dazu ein blühender Granatapfel- und ein Zitronenbaum. Die Pflanzen und Sträucher waren so farbenfroh, daß sie wie geschminkt aussahen. Als Baba Baluk sich allmählich seinem kleinen Garten näherte, kam ihm ein weißer Schwarm entgegen: der Daunenflaum auffliegender Eulen, so sah es aus, oder eine Bö Schneeflocken – aber es waren Mandelblüten. Blätter und Blumen waren in bunter Bewegung, und die Wasserrillen rollten zitternd über die Spiegelbilder wie ein kleiner Aufmarsch von Kindern, die hinter einer Prozession herrannten, um sich ihr anzuschließen. Das Mädchen saß am Ufer und kämmte sich das Haar. Es sah ihn nicht. Die Locken schienen beschwipst vom Rot ihres Körperschleiers: Weintropfen schimmerten im schwarzem Fell. Sie zog einen Kamm aus Zitronenholz durch die Locken, die Zinken blieben an den Spitzen hängen; erst nach einem starken Ruck gaben diese nach und jedesmal, wenn sie mit einem Schlenker der Hand den Kamm wieder befreit hatte, waren die Locken ein Stück länger geworden. So ging das fort und fort, und das Haar wurde länger und länger dabei und spiralte sich erdwärts; träge erreichte es ihre Schulterblätter und rann wie Wasser in flachen Rinnen ihren Rücken hinab. Die Umgebung spiegelte sich verschwommen in ihrer üppigen Haarpracht. Beim Näherkommen aber sah er, daß es eigentlich visionenhafte Szenerien waren, Bilder, in ihren Locken zu sanftem Leben erweckt. Und was er da sah, war äußerst bizarr.
    Plötzlich drehte sie sich um und gab dem Schäfer eine schallende Ohrfeige.
    Vor Baba Baluks Augen tanzte ein Mini-Kosmos, und er sank auf die Knie. Sie ließ der ersten Ohrfeige gleich eine zweite folgen, aber sanfter diesmal, und fing an zu lachen.
    Dann hauchte sie ihm ins Gesicht und legte ihm den Zeigefinger unters Kinn.
    »Heimlich beobachten darfst du mich nur, wenn du etwas Bestimmtes vorhast. Aber, na ja«, sagte sie mit einem Seufzer und wandte den Kopf ab, »soweit bist du noch nicht.« Auf einmal schien sie traurig zu sein und starrte hinunter auf das seitwärtige Kringeln des Wassers. Der Wind blies ihr Haar ebenfalls seitwärts; ihre Augen waren erblüht wie Sonnenblumen, die Samenkränze waren die Pupillen. Blitze durchschossen ihre Iriden in den Farben Grün und Rostbraun wie das Fell einer Glückskatze. Am hellroten Rand der blassen Lider bog eine Wimpernkrone ihre dicken Zacken aufwärts, ein Geweih aus dunklen Äderchen lag im Schneeweiß ihrer

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