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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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an ihm vorbei, und er sah sie in einer weißen Wolke verschwinden.
    Das war ihm egal, er hatte es nicht eilig, doch als der Teppich immer öfter stotterte, ins Schwanken geriet und abwich vom Kurs, machte er sich doch Sorgen. Er klammerte sich an den Teppichrändern fest, voller Angst, abgeworfen zu werden, und hielt den Blick starr auf einen Punkt gerichtet, als säße er zum ersten Mal auf einem Pferd. Höher und höher flog er, sein Atem ging schneller und tiefer, er bekam Kopfschmerzen, und es wurde ihm schlecht. Erst als Nevernym eine störungsfreie Himmelsbahn gefunden hatte, eine bequeme Position zwischen den Windböen, die Baba Baluks Ohren zum Sausen brachten, entspannte er sich und gab sich dem himmlischen Rausch und der Ekstase des Fluges hin. Wie der Äther ihm Kopf und Lungen füllte! Er kam sich ganz durchsichtig vor, seiner sterblichen Hülle entledigt, und das Herz schlug und hämmerte ihm vor irrsinniger Freude, die Adern erneuerten sich in reinster Luft, Sauerstoff putzte seine Organe durch und brachte sein Gehirn, eine wimmelnde Masse Wahnsinn, fast zum Explodieren. Ihm war, als müsse er nicht mehr atmen, sondern wäre davon befreit. Bizarre Visionen und Lichterspiele tanzten vor den geblendeten Augen. Ein azurnes Brüllen schnitt ihm die Luft ab und zerriß seine primitiven Freudenschreie. Er bestand nur noch aus pochendem Blut. Glitzernde, regenbogenfarben pulsierende Blitze rasten durch die Spiegelhallen der Sonne. Noch nie hatte er das Licht und den Himmel so dreidimensional gesehen. Er jagte durch flüssigen Diamant und Kristall, war reine Essenz, ohne Körper, den hatte er abgestoßen. Sein Gehirn brodelte, und er glaubte, das Innenfutter seines Schädeldaches würde in Fetzen gerissen; zwischen ihm und den musikalischen Sphären nichts.
    Wolkenschlieren schlugen ihm ins Gesicht, hier, mein Schatz, ein Souvenir. Seine Augen bewegten sich durch die funkensprühende Atmosphäre, geblendet von Myriaden Nägeln des Lichts. Etwas wie eine Leere zerrte an seinem Unterleib und preßte sich gegen seine Rippen, eine Woge versetzte sein Herz in Wallung; er hätte sich erbrochen, wäre er nicht durch und durch bewußte Leere gewesen.
    Plötzlich sackte der Teppich durch, schuckerte, schoß vorwärts, sank ab, stotterte, stammelte, stoppte und torkelte.
    Verschwunden waren Bezauberung und heilbringender Tod.
    Der Teppich weigerte sich weiterzufliegen und ließ nicht ab von seiner Laune. Wie ein Blatt trudelte er Richtung Erdboden, doch kurz bevor er aufschlug, schauerte er zusammen, bockte, schien vorwärts sausen zu wollen, stürzte statt dessen aber einfach ab. Baba Baluk rollte zu Boden.
    »Nevernym, unzuverlässig«, hatte Mamurra gesagt. Jetzt erst verstand er den Ausdruck, den Cheira und Heira öfter benutzten: Etwas sei »Spatz wie Nevernym«, äußerst kurzlebig also, was Vogel und Teppich gemeinsam hatten. Made in Qashqar, daran erinnerte er sich plötzlich. Kein Wunder: China. Shlomon, handgeknüpft in Judäa, war den Preisunterschied mehr als wert. Das Nonplusultra war natürlich Peri Banu. Dieser Teppich stammte aus dem Iran und war das Beste, was dieses Land je hervorgebracht hat. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß dieses Reich sonst nichts zu bieten hat.
    Obwohl – die dort hergestellten schwarzen Leichengewänder für lebende Frauen waren von unschlagbarer Qualität, fanden reißenden Absatz, merkwürdig nur, daß bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, sie mit reizenden Spitzenborten oder hübschen Fransen zu verzieren – aber ich schweife ab.
    Baba Baluk rappelte sich auf. Nur keine Panik, nach einer Ruhepause würde Nevernym sicher wie ein Adler weiterfliegen. Der Teppich jedoch lag auf der Erde und wand sich in Zuckungen, Nerventicks, einer merkwürdiger als der andere. Baba Baluk konnte den Teppich nur mit Mühe aufrollen, bevor er sich in den Schatten einer hohlen Felswand setzte, um sich auszuruhen. Oben auf dem Felsen führte ein Johannisbrotbaum eine unsichere Existenz, die Früchte waren noch nicht reif. Baba Baluks Körper schmerzte vom Sturz, und er stöhnte, als er sich hinsetzte: »Ach und weh, ich armer Jäckel!« – Ausdrücke von Cheira und Heira paßten irgendwie immer.
    Die Ebenen, die Bergpässe vor ihm und die lila Gebirge am Horizont waren steingewordene Verlassenheit, trotzdem war die Luft merkwürdigerweise durchzogen vom Geruch menschlicher Exkremente. Er aß etwas Roggenbrot, Oliven und Feigen und schlief eine Weile. Als er erwachte, fühlte er sich

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