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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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Ehegespons auf die Empfängnis vor. Baba Baluk verzichtete auf das ihm angebotene Abendmahl. Als er sich endlich erschöpft zu Bett legte, pustete ein windsüchtiger Schlaf die Segel seiner Träume hinaus aufs offene Meer, Richtung Paravion. Und sein Weib, warm und naß, plätscherte wie ein jauchzender Bach hinein nach Paravion, auf ihren Wellenfalten führte sie eine Reuse voll zappelndem Leben mit sich; das sich auf dem Wasser spiegelnde Wolkenweiß war ihre Haut, ihre Wimpern waren schrägfallender Regen.
    Am nächsten Tag, als er gerade durch einen Bergpaß schwebte, stürzten sich Banditen von den Felsen auf ihn und prügelten sofort drauflos.

    Baba Baluk lag unter Händen begraben, und die Bande warf einen Schatten über ihn. Ein Knie auf der Brust hielt ihn in Schach, und irgendwo im Gewirr aus Gliedmaßen glitzerte etwas. Über den Räuberköpfen kroch ein Baum gichtig himmelwärts, von der Jugend hatte er schon längst Abschied genommen wie von den meisten seiner Blätter auch. Die übriggebliebenen Blätter hingen jammervoll herab und hatten, wenn der gelangweilte Wind mal auffrischte, nichts mehr zu sagen, denn sie hatten schon alles gesagt.
    »Hört her!« sprach Baba Baluk. »Oh, ich armer Wicht! Ich kann euch, gute Leute, die ihr seid, nichts geben. Meine bescheidene Barschaft habe ich – weh mir! – für Obst ausgegeben, das Kinder am Rande hungriger Abgründe verkauften. Ihr kennt mit Sicherheit die kleinen Obstverkäufer.
    Die armen Teufel müssen ja stets auf der Hut sein vor Leuten wie euch; ihre erfrischenden Früchte sind euch gewiß willkommene Beute, vor allem, wenn die Kinder, was ja fast immer der Fall ist, kein Geld haben, das sie euch geben können. Diese armen Kinder, die dort in der Sonne braten oder im Schatten schwitzen, haben mein Mitleid erregt, schließlich müssen sie ja auch etwas einnehmen, oder? Verflucht und nochmals verflucht – nein, seid nicht ihr, sondern sei der Elende, der kein Erbarmen kennt. Ihr müßt nämlich wissen, daß ich – ich armer Wicht – ein mittelloser Reisender bin, trotzdem möchte ich mein karges Mahl mit euch teilen, das heißt, wenn eure Zähne meinem Brot werden widerstehen können, welches ich nur noch als Waffe bei mir trage, so hart ist es inzwischen geworden (ich hätte euch, meine Herren, damit tüchtig eins überziehen können, haha), und Wasser, um es aufzuweichen, habe ich auch nicht. Ich verstehe, daß in den heutigen Zeiten der Dürre ehrliche Leute wie ihr – um welche mein Herz in steter Trauer ist – die Not nur mühsam und mit unehrlichen Mitteln lindern können. Ach, wollen Sie mich mal kurz entschuldigen« – das Knie zog sich zurück, Baba Baluk bettete sich bequemer – »ich danke Ihnen, mein Herr.«
    Die Sonne schimmerte durch jede Ritze und Öffnung, die sie finden konnte, um zu hören, was Baba Baluk zu erzählen hatte.
    Die Jungen, die wieder mal die Schule schwänzten, lauschten mit offenen Mündern. Der Schäfer hatte noch nie vorher ein Wort gesprochen.
    »Wo war ich stehengeblieben? O ja, ich armer Wicht!
    Deshalb führt mich mein unzuverlässiger Nevernym – gemach, das ist kein Schimpfwort –, deshalb führt meine Reise mich also zum Narvelmeer, das schäumen, grollen und rollen kann, wie es will, es wird mich nicht aufhalten können. Gewiß nicht!
    Wie die Schenkel einer Frau wird es mich in feuchtere und fruchtbarere Regionen führen. Wie sehr trauert mein Herz doch um diese Schenkel, die ich noch mehr vermisse als die Mutter, die ich nie gekannt habe, mein Vater war Witwer, und es ist ein kleiner Trost, daß diese Schenkel, nach denen es mich so verlangt, jünger sind als mein ganzes Leben. Ich habe mein Weib – ach, vergebt mir meine Tränen – zurückgelassen.
    Mag sein, daß sie so alt ist wie ich, oder auch nicht, denn unsere Lust bewahrt sich das Bild des ersten Augenblicks und ist blind für die Spuren der Zeit im Fleische. Und dafür danke ich in allen meinen einsamen Nächten. Ihr Gesicht, das ich zuletzt streichelte, war jenes Gesicht, welches ich unter dem Weinstock unseres ersten Blickwechsels sah und unter der Myrte unserer ersten Berührung liebgewann. Ich werde verwelken und zerschrumpeln, sie aber bleibt ewig jung.«
    Baba Baluk lag bequem auf der Seite und sprach mit großen Gesten. Er war in Fahrt. Die Banditen hörten zu. Die Jungen trauten ihren Ohren kaum. Die Ziegenglöckchen setzten ihre Hintergrundmusik fort.

    »Ach, warum erzähle ich euch das alles? Euch interessieren die

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