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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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seine Freiheit vollkommen.
    »Hat ganz schön Haare auf den Zähnen«, krächzte der Vater.
    »Aber man sieht wieder, daß Verhandeln Männersache ist.
    Zum Glück ist der Vater des Mädchens tot.«
    »So ein Mädchen ist doch unbezahlbar«, sagte der Sohn verträumt. Dabei dachte er nicht an ihre eventuellen Kochkünste, sondern daran, daß er den mütterlichen Klauen entronnen sei, während das Mädchen vor allem ihre bevorstehende Flucht aus dem Dorf vor Augen hatte.
    »Hä?« sagte der Vater. »Unbezahlbar? Esel! Dummkopf!« Er versetzte ihm eine Kopfnuß. »Keine Frau ist unbezahlbar.
    Deine Mutter will, daß du heiratest, damit endlich ein Mann aus dir wird. Ein Mann, verstehst du! So wie du redet kein Mann! Gestern hast du dir noch in die Hosen geschissen, und heute bist du schon romantisch.« Das mit gestern war natürlich übertrieben; in den letzten Jahren war seine Hose immer pieksauber gewesen. »Unbezahlbar? Bei Vieh und Frauen gibt es immer was runterzuhandeln, schreib dir das hinter die Ohren«, sagte der Vater und zog ihn zur Verdeutlichung an selbigen.
    Davon abgesehen waren die Mädchen, so dachte Baba Baluk jedenfalls, als er sich, hinter Kakteen und Häusern Deckung suchend, ins Dorf schlich, stets zum Sex bereit. Auf den Dächern folgte ein geflügelter Schatten seinem Schleichweg, vielleicht Senunu, doch das Gold, das auf dem Rücken des Verfolgers aufleuchtete, hatte er bei Senunu noch nie gesehen.
    Die Flügel waren zu klein, und Senunu hatte keine Locken –
    und was hatten die Lichtblitze zu bedeuten, die er abschoß? Er wartete, bis die Mütter in die Häuser getragen und in ihre Grablager gelegt worden waren. Er überlegte, in welches Haus er eindringen solle. Über die Mauer zu klettern und in den Hof zu springen war kein Problem. Die Fassaden der Häuser hier waren voller Löcher und Unebenheiten, andernfalls hätte er aber auch die Weinstöcke als Jakobsleiter benutzen können.
    Gespenster aus Finsternis liefen ihm voraus, schlichen sich um Ecken und kletterten auf Bäume. Senunu flog in Richtung seines Baumstammes, flog tiefer, dann höher, dann wieder tiefer und wieder auf, um Cheira und Heira Bericht zu erstatten.
    Er hörte Stimmen, erst hier, dann da: Er wußte nicht, ob die jungen Frauen sich in den Häusern oder draußen aufhielten.
    Seine Aufmerksamkeit irrte umher.
    Das Mädchen, das in der Tür stehend Gestalt annahm, sah ihn an, als ob es ihn schon seit einer Weile beobachtete. Sein Mund war geöffnet, die Vorderzähne standen vor, offensichtlich hatte es als Kind oft am Daumen gelutscht; die Unterlippe war voll. Die zusammengekniffenen Augen verrieten höchstes Interesse. Die eine Hand hielt es gegen den Türpfosten gestützt, die andere ruhte auf der Hüfte, die dafür mehr Platz als nötig bot. Eine äußerst verführerische Körperhaltung. Die Zehen des rechten Fußes ruhten auf dem Spann des linken. Die Sohle der Babusche klapperte fortwährend gegen die Ferse, im Rhythmus eines »Ach-nee,wen-haben-wir-denn-da?«
    Baba Baluk drängte die junge Frau sanft ins Haus, ohne daß sie sich wehrte.
    »Hör zu«, sagte er, »laß uns anfangen.«
    Die Nacht und die Sterne standen in ihren großen Augen.
    »Halt mal«, sagte er und hielt ihr den Saum seines Gewandes hin. Brav griff sie danach und betrachtete genau, was sich dadurch entblößte. Nach eingehender Prüfung fing sie an zu prusten, versuchte, ein Lachen zu unterdrücken, konnte es aber schließlich nicht mehr zurückhalten.
    »Ist das alles?« erkundigte sie sich mit feuchten Augen und ließ den Saum mit einer zickigen Gebärde fallen. Sie wandte pikiert ihr Gesicht ab: »Du hättest den von meinem dämlichen Bruder sehen sollen«, und ging ins Zimmer – der Vorhang schaukelte nach –, von wo aus sie noch rief: »Vergiß nicht, die Tür hinter dir zuzumachen.«
    Beschämt schlich er sich auf Zehenspitzen aus dem Haus.
    Offensichtlich war seine heutige Lektion doch nicht so eindrucksvoll gewesen, dachte er und verfluchte das wunderliche Mädchen aus seinen Schäferstunden, er kannte nicht einmal seinen Namen. Aufgeben aber wollte er nicht. Die Lust war beinahe unerträglich. Aus einem Fenster kam ein Zischen. Aus dem Boudoir der tagsüber mit Neid bedachten Braut winkte ein Finger. Sie gab ihm zu verstehen, daß er zur Hintertür gehen und vor allem keinen Laut von sich geben solle. Ihr Gesicht sah er nicht, nur das Glitzern ihrer Armbänder. Sie hatte auf dem Dach gestanden und auf den Horizont geblickt, als könnte

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