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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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blieb, ohne Strom und Gas, war eines der Wunder von Paravion. Troubadoure spielten ihre Instrumente und sangen den wenigen Münzen in ihren Hüten ein Lied.
    Die Sonne war ein Wirbel aus Edelsteinen, die Waldungen glichen Samt, und die Stämme ragten kräftig und muskulös in die Luft. Insekten verirrten sich im Gänseblümchenstau. Eine blinde Sonnenbrille lag unter dem Sonnenschirm einer Margerite und sammelte Bilder für den möglichen Finder.
    Zwei Frauen fielen auf, die reingewaschen vom Alter und getrennt gewachsen am Ufer saßen und auf ihren Schößen erlesene Pflanzen und Kräuter präsentierten und sortierten. Ihr Haar war in Knoten geschlungen und gefangen in Netzen, sie lachten, und sie zankten sich. Außerdem trugen sie breitrandige Strohhüte, Siebe in Händen von Goldsuchern, und wurden von hübsch langgelockten Knaben umringt, die all ihre Wünsche erfüllten, vom Kneifen zum Kuscheln und mehr –
    »Komm her, mein Schnuckelchen!« Die Knirpse unterhielten sich, und die Frauen betrachteten den einen liebevoll und den anderen mit üppigem Augenaufschlag. Über ihnen bogen sich tief die Zweige unter der Last errötender Äpfel und duftender Zitronen. Die schlierige Luft um sie herum war so polychrom, daß es schien, als säßen sie in einem Raum mit Kirchenfenstern. Die Liebesboten aus Pollen und Blütenstaub kamen sich fliegend in die Quere. Wolken schwebten rücklings durch die Himmelsbläue. In den Nachtgebieten der Sträucher taten Stechmücken so, als wären sie Feuerfliegen und Irrlichter. Durchaus verständlich, denn der Mond war am Mittagshimmel bereits aufgegangen.
    Die Hähne besangen den Anbruch der Mittagszeit, Flügelzwerge flogen von Baum zu Baum und schossen ihre Goldpfeile ab, die sofort ihre Wirkung taten, denn überall waren inniglich sich liebende Paare zu sehen. Was diese Liebespaare nachts taten, war eines der Rätsel von Paravion.
    Unter der Brokatgrütze von Teichen und unter den kristallnen Fontänen boten schwimmende Nymphen ein wunderliches Schauspiel zierlicher Kapriolen und Verrenkungen; jedesmal, wenn das Mädchen den Kamm durch ihre Locken zog, legte sich alles in Falten, und Baba Baluks Augen sogen all diese Bilder in sich auf. Auch ein paar Kinder in tanzenden Booten betrachteten sich die Bilder. Andere ritten auf jungen Eseln und Zentauren. Mädchen boten ihre schlanken Glieder dem Licht, Schatten und eheliderlichen Liebhabern zum Liebkosen dar. Jungen rannten hinter Bällen her oder schleuderten Diskusse. Auf geflügelten Sandalen oder Flügelfersen sausten Jünglinge vorbei. Das Wasser plätscherte von Felsen herab, und ein Brunnen legte in einem Reigentanz einen Schleier nach dem anderen ab. Der Palast einer Eiche mit Tausenden von Fenstern und Gewölben lieh Spatzen Obdach und warf seinen Schatten wie ein großzügiges Almosen auf eine Menschenschar um eine rundgedeckte Tafel; der Wind fiel Etage für Etage herab, die Sonne zerbrach in Prismen.

    Freilaufende Kaninchen und Hasen hoppelten lustig drauflos, hielten inne und sogen die Gerüche ein, ihre Köpfe schienen an großen Wäscheklammern zu baumeln. Hier gingen die Sinne auf Sauftour.
    Ein Chaos aus Stimmen und Geräuschen füllte Baba Baluks Kopf, während er dem Mädchen in einem Abgrund der Ekstase in die Arme fiel. Sie war ein Nest aus Wärme und weicher Haut, Heiserkeit und unauslotbaren Tiefen. Ihr Atem roch nach Eis. Ihm wurde schlecht vor Lust. Die Ziegen beobachteten sie ungestört und läuteten ab und zu ein Glöckchen. Als er seine Augen öffnete, lag er in Quadryges Armen, er schloß sie wieder und fand sich in Sofias Schoß, nur um wieder bei Bewußtsein und begleitet von ihrem Atmen beim Mädchen mit der durchsichtigen Haut und den schwarzen Adern zu landen, das unausgesetzt redete, ihr Haar wie eine Nacht über seine Stirn gelegt.
    Vor dem Eingangstor stehend beobachtete der Karrenlenker dies Treiben, während versteckt hinter den Sträuchern, die anderen Brüder kauerten und sich ekelerfüllt an den schwindelerregenden und durchsichtigen Szenerien erregten.
    Schon nach kurzer Zeit wurde er am Kragen gepackt.
    »Ä-hm«, sagte der Teppichhändler, die Hände auf den Rücken gelegt und auf den Zehen wippend.
    Der Karrenlenker erschrak, riß sich die Mütze vom Kopf, linder Apfelduft wehte dem Teppichhändler entgegen. Der Himmel verdüsterte sich, und der Park zog ungestört an ihnen vorbei.
    Er war den Brüdern schon vor längerem auf die Schliche gekommen, wußte, daß viele von ihnen heimlich

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