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Paravion

Paravion

Titel: Paravion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bouazza
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leeren Händen, tief verstört, den Kopf voller Fragen. Der Teppichhändler versprach, das nächste Mal mitzukommen: Er wisse, wie eine Peitsche knallte, und genau die wolle er dann auch mitnehmen, falls der Beamte noch mal so unerschütterlich geizig bleibe, mit Brillengläsern, an denen verlorene Wimpern klebten und die das Neonlicht ausfüllte. Der Warteraum war überfüllt.
    Ungeachtet solcher Mißerfolge genoß der Karrenlenker sein Leben in Paravion. Er freute sich an den sauberen Straßen, so sauber, daß man sich drin spiegeln konnte, er freute sich an dem unerschöpflichen Vorrat an Dingen und Lebensmitteln. Er freute sich an den unterschiedlichen Abfallcontainern, die überall standen, und am Dosengemüse in den krankenhausflurkühlen Läden – Supermärkte hießen sie –, er freute sich an den Straßenbahnen und deren Hüftschwung, wenn sich die Tram klingelnd in die Kurven legte und die Passagiere dabei hin und her schleuderte, er freute sich an den Bäumen, die überall für Schatten sorgten, mitsamt den unvermeidlichen grünen Holzbänken und danebenstehenden Abfalleimern, er freute sich an den Grachten, deren Wasser ein Wiegenlied für ihn sang, er freute sich an den schiefen, sich Richtung Straße neigenden Grachtenhäusern, er freute sich an den Standbildern voller Patina und Taubenexkrementen, er freute sich am Gebrause derart vieler Menschenleben, er freute sich an den offenen Plätzen und an den makellosen Bürogebäuden mit Fenstern, in denen sich das ganze Universum spiegelte, an der Straßenbeleuchtung allenthalben, der Neonreklame – die Stadt war nachts ein wahrer Obsthain an buntem Neon –, er freute sich an den Märkten, auf denen es nach gesalzenem Fisch, nach gebrannten Mandeln und Käse roch, an den zahlreichen Restaurants, die zusammen mit den Menschen hierher ausgewandert waren, er freute sich an den Radfahrern, die jede Verkehrsregel mißachteten, er freute sich am stillen Lärm und der flirrenden Sinnlichkeit, die von den Mädchen ausging, und an den verliebten Pärchen, die ihre Zuneigung vor den Passanten zur Schau stellten, er freute sich an den Wolkenheerscharen, am Regen und an den Niederschlägen, an den nassen Sonnen an Regentagen wie beschlagene Brillengläser, an den Regenpfützen und was sich darin alles spiegelte, er freute sich am Chaos, am fernen Glockenspiel im Heu seiner Taubheit, er freute sich an den Vögeln, den Tauben, an den Obdachlosen mit ihren Einkaufswagen voll unbegreiflichem Hausrat, an den Trunkenbolden, die auf ruhiger Straße schwankend beinahe kenterten, mit schwerer Schlagseite dort, wo sich die überlastete Leber befand, er freute sich an den zischenden Straßenhändlern mit ihren Rauschmitteln, er freute sich an den übervollen Einkaufs-Straßen, wo man alles kaufen konnte, was man brauchte oder auch nicht brauchte, er freute sich am Rotlichtviertel und an der dortigen Zurschaustellung weiblichen Fleischs, das nicht für ihn, den Unbemittelten, bestimmt war, an den vielen Kneipen und Bars, in denen die Gäste tranken und plapperten und sich erleichterten wie die Vögel in Cheiras und Heiras Johannisbrotbaum, er freute sich am Wohlstand, der den Menschen sichtlich guttat, vor allem den Frauen wochenends mit den Papiertüten voller neuer Errungenschaften und mit ihrem entspannten Tratschen über Gott und die Welt in Straßencafes oder von den geranienbepflanzten Fensterbänken herunter, er freute sich an den Brüdern, die immer zahlreicher wurden und voller Respekt blieben, auch wenn er ihre Rauschware zu kaufen sich weigerte, voller Respekt deshalb, weil er einer von ihnen war, und es beruhigte ihn zu sehen, daß sie Arbeit gefunden hatten, welche auch immer, und er freute sich an der lebensvollen Rastlosigkeit von allem, an der Amstel, die Erfrischung brachte und das Land bewässerte, aber am meisten freute er sich an den unvergleichlichen Wundern des Parks, den er jetzt betrat.
    Er freute sich über das alles, ohne sich jedoch dazugehörig zu fühlen. All das existierte ungeachtet seiner und würde auch ohne ihn weiterexistieren, was ihn jedoch mit Wehmut erfüllte.
    Eine Wehmut, die er mit den anderen Teehäuslern teilte und die bei diesen manchmal in Wut und Widerwillen umschlug.
    Was ihn betraf: er war das Leben in einem Kokon gewöhnt.
    Natürlich war der Park für Moreaner nicht verboten, sondern er war einfach, so erklärte es zumindest der Teppichhändler, ein Ort nur für die Paravionaner und für ihn und seine Brüder weniger geeignet,

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