Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
für ihre Räder und zehntausend für ihre Schraube; Eisenbahnen erlaubten es, auf ihren Decks schnell von einem Ende zum anderen zu gelangen, und zwischen den Masten konnte man Grünanlagen mit hohen Bäumen bewundern, deren Schatten sich über Blumenbeete, Rasen und Blütenarrangements breitete; die eleganten Damen und Herren konnten hoch zu Roß durch gewundene Alleen reiten; zehn Fuß hoch am Oberdeck aufgeschüttete Pflanzenerde hatten diese schwimmenden Parkanlagen hervorgebracht. Dieses Schiff war eine Welt für sich, und sein Einsatz zeigte außergewöhnliche Ergebnisse; von New York nach Southampton brauchte es drei Tage; es erreichte eine Breite von zweihundert Fuß, und seine Länge kann am einfachsten durch folgende Tatsache ermessen werden: Wenn die
Leviathan IV
mit dem Bug voran am Landungsquai lag, dann hatten die Heckpassagiere noch eine Viertelmeile zurückzulegen, bis sie festen Boden unter den Füßen spürten.
    »Bald«, sagte Onkel Huguenin, während er unter den Eichen, Ebereschen und Akazien auf dem Deck dahinspazierte, »wird es gelingen, jenes phantastische holländische Schiff zu bauen, dessen Bugspriet sich bereits auf der Ile Maurice befand, als sein Steuerruder noch in Brest auf der Reede lag!«
    Bewunderten auch Michel und Lucy, so wie die staunende Menschenmenge, diese ungeheure Maschine? Ich weiß es nicht; aber sie schlenderten unter leisen Gesprächen dahin oder schwiegen, so gut sie konnten, schauten sich endlos an und kehrten in Onkel Huguenins Wohnung zurück, ohne irgend etwas von all den Wunderdingen im Hafen von Grenelle erblickt zu haben!
Fußnoten
    1 Ein Tag, der mit einem weißen Stein markiert werden muß.
     
    2 Bemerkenswert durch den Glanz ihrer Blässe.
     
    3 Göttlicher Saft.
     
    4 Mir schaudert, wenn ich daran denke.
     
    5 Hüter einer ungeheuren Herde.
     
    6 Hüter einer entsetzlichen Gans.
Zwölftes Kapitel
Quinsonnas’ Ansichten über die Frauen
    Für Michel verstrich die folgende Nacht in einer köstlichen Schlaflosigkeit; wozu schlafen? Es war besser, im Wachzustand zu träumen, was der junge Mann auch gewissenhaft tat, bis der Tag anbrach; seine Gedanken gelangten bis an die äußersten Grenzen ätherischer Poesie.
    Am nächsten Morgen ging er in die Büroräume hinunter und bestieg seinen Berg. Quinsonnas erwartete ihn. Michel ergriff oder, besser gesagt, zerdrückte die Hand seines Freundes, doch er sparte mit Worten; er nahm sein Diktat wieder auf und diktierte mit feuriger Stimme.
    Quinsonnas betrachtete ihn, aber Michel wich seinem Blick aus.
    »Irgend etwas stimmt nicht«, sagte sich der Pianist; »was für ein sonderbares Gesicht! Er schaut aus wie jemand, der gerade aus den heißen Ländern zurückgekehrt ist!«
    Auf diese Weise verging der Tag, der eine diktierte, der andere schrieb, und beide beobachteten einander verstohlen. Der nächste Tag verfloß, ohne daß es auch nur zum kleinsten Gedankenaustausch zwischen den zwei Freunden gekommen wäre.
    »Da steckt Liebe dahinter«, dachte der Pianist. »Soll er seine Gefühle ausbrüten; später wird er schon reden.«
    Am dritten Tag unterbrach Michel Quinsonnas plötzlich mitten in einem herrlichen Großbuchstaben.
    »Lieber Freund, was hältst du von den Frauen?« fragte er ihn und wurde rot.
    »Das ist es also«, sagte sich der Pianist, ohne eine Antwort zu geben.
    Michel wiederholte seine Frage und wurde noch röter.
    »Mein Sohn«, antwortete Quinsonnas bedächtig und hielt in seiner Arbeit inne, »die Auffassung, die wir von den Frauen haben können, wir Männer, ist höchst veränderlich. Am Morgen denke ich nicht dasselbe über sie wie am Abend; der Frühling beschert mir im Hinblick auf sie andere Vorstellungen als der Herbst; Regen oder Schönwetter können meine Lehrmeinung ungemein verändern; und schließlich übt auch meine Verdauung einen unbestreitbaren Einfluß auf meine Gefühle ihnen gegenüber aus.«
    »Das ist keine Antwort«, sagte Michel.
    »Mein Sohn, erlaube mir, auf eine Frage mit einer anderen zu antworten. Glaubst du, daß es auf dieser Welt noch Frauen gibt?«
    »Und ob ich das glaube!« rief der junge Mann.
    »Triffst du zuweilen welche?«
    »Jeden Tag.«
    »Verstehen wir uns richtig«, fuhr der Pianist fort; »ich spreche nicht von jenen mehr oder weniger weiblichen Wesen, deren Ziel darin besteht, zur Vermehrung des Menschengeschlechts beizutragen, und die man irgendwann durch Preßluftmaschinen ersetzen wird.«
    »Du machst dich lustig …«
    »Lieber Freund, davon

Weitere Kostenlose Bücher