Paris im 20. Jahrhundert
Feuer im Herd zu sorgen.«
»Wenn es also dazu käme, daß du dir«, sprach Michel weiter, »aus einem, und das gebe ich gerne zu, unwahrscheinlichen, undenkbaren Grund eine Frau nehmen wolltest …?«
»Mein Lieber, ich würde zunächst wie jeder andere versuchen, Millionen zu scheffeln; man braucht Geld, wenn man diese erhabene Existenz in doppelter Ausführung leben will; ein Mädchen, das nicht seinen Goldklumpen im väterlichen Geldschrank liegen hat, ist keine gute Partie, und eine Marie-Louise mit ihren armseligen zweihundertfünfzigtausend Franc Mitgift fände keinen einzigen Bankierssohn, der sie nehmen würde.«
»Aber einen Napoleon?«
»Die Napoleons sind rar geworden, mein Sohn.«
»Nun, ich sehe schon, du bist vom Gedanken an deine Hochzeit nicht begeistert.«
»Das gerade nicht.«
»Wärst du es denn von meiner?«
»Da haben wir’s«, sagte sich der Pianist, ohne eine Antwort zu geben.
»Nun«, meinte der junge Mann, »du schweigst?«
»Ich schaue dich an«, erwiderte Quinsonnas nachdenklich.
»Und weiter …«
»Und frage mich, wo ich anfangen werde, dich festzubinden!«
»Mich!«
»Ja! Narr! Wahnsinniger! Was soll nur aus dir werden?«
»Ein Glückspilz!« antwortete Michel.
»Laß uns vernünftig miteinander reden. Entweder bist du genial, oder du bist es nicht! Dieses Wort kränkt dich, sagen wir also talentiert. Wenn du es nicht bist, stirbst du den Hungertod zu zweit. Bist du es, dann liegt die Sache ganz anders.«
»Wie das?«
»Mein Kind, du weißt also nicht, daß Genie oder sogar Talent eine Krankheit ist, und daß die Frau eines Künstlers sich mit der Rolle einer Krankenpflegerin abfinden muß?«
»Nun denn! Ich habe sie gefunden …«
»Eine Schwester der Barmherzigkeit«, entgegnete Quinsonnas, »die gibt es nicht. Man findet nur mehr Cousinen der Barmherzigkeit, wenn überhaupt!«
»Ich habe sie gefunden, sage ich dir«, antwortete Michel mit Nachdruck.
»Eine Frau?«
»Ja!«
»Ein junges Mädchen?«
»Ja!«
»Einen Engel?«
»Ja!«
»Also dann, mein Sohn, reiß ihm die Federn aus und sperre ihn in einen Käfig, sonst wird er dir nämlich davonfliegen.«
»Hör zu, Quinsonnas, diese junge Person ist sanft, gütig, liebevoll …«
»Und reich?«
»Arm! Kurz davor, bettelarm zu sein. Ich habe sie erst ein einziges Mal gesehen …«
»Das ist enorm! Es wäre besser, wenn du sie öfter gesehen hättest …«
»Mach dich nicht lustig, lieber Freund; sie ist die Enkelin meines alten Professors; ich liebe sie so sehr, daß ich den Verstand verliere; wir haben miteinander geplaudert wie Freunde, die sich seit zwanzig Jahren kennen; sie wird mich lieben! Sie ist ein Engel!«
»Du wiederholst dich, mein Sohn, Pascal hat gesagt, der Mensch sei weder Engel noch Tier! Na! Ihr beide, deine Schöne und du, ihr straft ihn aber gehörig Lügen!«
»Ach! Quinsonnas!«
»Bleib ruhig! Du bist doch nicht der Engel! Ist das denn möglich! Er! Verliebt! Mit neunzehn Jahren gedenkt er, etwas zu tun, was selbst mit vierzig noch eine Torheit ist!«
»Was noch ein Glück ist, wenn man geliebt wird!« antwortete der junge Mann.
»Na, sowas! Sei still!« schrie der Pianist. »Sei still! Du treibst mich zur Weißglut! Noch ein Wort, und ich …«
Und über die Maßen erregt schlug Quinsonnas mit aller Kraft auf die unbefleckten Seiten des Großen Hauptbuches.
Ein Gespräch über die Frauen und die Liebe kann natürlich endlos dauern, und dieses wäre wahrscheinlich bis zum Abend weitergegangen, hätte sich nicht ein schrecklicher Unfall ereignet, dessen Folgen unabsehbar sein sollten.
Während Quinsonnas leidenschaftlich gestikulierte, stieß er unglücklicherweise gegen den gewaltigen, siphonförmigen Apparat, der ihm seine vielfarbigen Tinten entgegenkippte, und wie Lavaströme ergossen sich rote, gelbe, grüne, blaue Fluten über die Seiten des Großen Hauptbuches.
Quinsonnas konnte einen fürchterlichen Schrei nicht unterdrücken, der die Büroräume erzittern ließ. Man glaubte, das Große Hauptbuch stürze in sich zusammen.
»Wir sind verloren«, sagte Michel mit verzerrter Stimme.
»Allerdings, mein Sohn«, antwortete Quinsonnas. »Die Überschwemmung greift um sich; rette sich wer kann!«
Doch in diesem Augenblick erschienen Monsieur Casmodage und Cousin Athanase in den Räumen der Buchhaltung. Der Bankier schritt auf den Schauplatz des Unglücks zu; er blieb niedergeschmettert stehen, öffnete den Mund und brachte kein Wort heraus; der Zorn schnürte ihm die Luft
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