Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
waren niemals high.
»Was… Was willst du von ihr?«, stotterte er.
Ich erkannte einen Anflug von Schwäche in seinem ansonsten harten und schmalen Gesicht. Styro sorgte sich um Mei. Ich lockerte meinen Griff. »Ich will ihr nicht wehtun, Styro. Ich brauche nur ihren Rat.«
Bei dem Wort ›Rat‹ zog er die Augenbrauen zusammen. »Was ist, wenn sie dir nicht helfen will?«
Ich dachte über seine Frage nach. »Sie schuldet mir nichts. Wenn sie mir nicht helfen will, gehen wir getrennte Wege.«
Er nickte in ungläubigem Einverständnis.
Gewaltandrohung war eine Kunst, wirklich. Man musste nicht groß dafür sein, auch wenn es half. Man musste das, was man sagte, nur ernst meinen. Ich erinnerte mich an einen Typen, den ich während meiner ersten Monate im Tert getroffen hatte: ein kleiner, untersetzter Mann mit Babygesicht und einer dichten Lockenpracht. Die Leute respektierten ihn, oder sie gingen ihm aus dem Weg. »Es mag vielleicht lachhaft klingen, Parrish«, hatte er eines Tages zu mir gesagt, »aber nichts und niemand kann mir Angst einjagen. Nichts. Die Leute wissen das. Wenn ich jemandem an den Kragen gehe, wissen sie, dass ich nicht bluffe.«
Im Moment war das Einzige, das mich kümmerte, meine Halluzinationen. Ich musste sie in den Griff bekommen, und dabei würde ich mich sicherlich nicht von einem Penner wie Styro aufhalten lassen, der mich mit Drogen vollgepumpt hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass er das in meinen Augen gelesen hatte.
***
Ich folgte Styro die Reihen identischer Wohnblocks entlang. In einer Zeit, als diese Bauten noch neu und intakt gewesen waren, musste es sehr schwer gewesen sein, sie alle voneinander zu unterscheiden. Zwar war es das auch heute noch, doch waren es nun die vielen ausgebesserten Stellen in den Fassaden und die schäbigen Fenster, die den Blocks ihren einheitlichen Charakter verliehen. Überall Flachdächer, die für sintflutartige Mitsommerregenfälle konstruiert und ein idealer Platz für Tausende von Schlafkokons waren. Mit Sicherheit brachen unter ihrem Gewicht regelmäßig Teile der Dächer zusammen.
Durch die Nähe zum Slag war deutlicher Mueno-Einfluss spürbar. Schmutzige, bunte Matten hingen in vielen der Fenster und Türen. An einigen Stellen wucherten die Ranken graublättriger, bleiresistenter Kletterpflanzen über zerbrochenen Treppengeländern. Kanratten und kleinere Tert-Mischlinge suchten oft Schutz unter ihnen.
Styro führte mich in eines der Gebäude und dann durch eine instabile Passage in ein anderes. Wir stiegen einige Treppen empor, bis wir auf einen langen Korridor gelangten, der mir bekannt vorkam. Auch die Räume, an denen wir vorbeikamen, erkannte ich wieder. Wir befanden uns in der medizinischen Einrichtung, in der Sto gelegen hatte.
Es kam mir vor, als wäre seitdem eine Ewigkeit vergangen.
Styro blieb unvermittelt stehen. Vor einer der Türen spielten zwei hagere Männer ein Kartenspiel namens Brand. Der Gewinner musste sich auf den Armen und Beinen eine Reihe von Brandwunden zufügen. Es war so etwas wie ein Initiationsritus.
Styro winkte sie zur Seite und klopfte an die Tür. Die Männer setzten ihr Kartenspiel fort, als hätten sie kein Interesse an uns. Ich war von ihrer Harmlosigkeit allerdings nicht überzeugt.
Ich hielt mich im Schatten, um zu sehen, wie Styro die Sache regelte.
Stolowski öffnete mit verschlafenen Augen die Tür. Er hatte sich die Haare gebleicht, die nun wie ein Vogelnest auf seinem Kopf verfilzt waren. Auch sein Gesicht hatte sich verändert; die Sommersprossen waren verschwunden. Daac musste eine kleine kosmetische Operation arrangiert haben, damit Stolowski nicht mehr so einfach wiederzuerkennen war.
Die Luft zwischen den beiden Männern knisterte vor Spannung. Sie verschwendeten keine Zeit mit Höflichkeiten.
»Was?«, grummelte Sto.
»Ist Mei hier?«
»Kann sein. Was ist, wenn sie hier ist?«
Styros Gesicht lief rot an.
Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich ihr Gespräch sehr amüsant gefunden, aber im Moment hatte ich keine Zeit zu verlieren.
Ich trat aus dem Schatten, die Bodyguards fest im Blick. »Ich muss mit Mei sprechen, Sto.«
»Parrish«, keuchte er. »Ich dachte…«
»Du hast was gedacht, Sto? Dass ich tot bin? Im Gefängnis? Du solltest mich besser kennen, als einfach irgendwelchen Gerüchten zu glauben.«
Er schluckte einmal heftig, dann öffnete er die Tür für mich.
Ich ging an Styro vorbei und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Dann ließ ich die Schlösser
Weitere Kostenlose Bücher