Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
der Straße verstreut liegen, die aus Fenstern und Gebäuden heraushängen. Salzige, metallische Wärme in meinem Mund, die langsam meinen Hals hinunterkriecht…
Ich schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Erschrocken stellte ich fest, dass ich die Zähne in meinen eigenen Arm gegraben hatte. Ich saugte das Blut aus der Wunde.
Ich musste würgen und mich übergeben.
Dann stand ich langsam wieder auf.
Ich kannte nur eine Person, die mir helfen konnte:
Mei.
Aber mit Mei Kontakt aufzunehmen bedeutete gleichzeitig, Stolowski zu treffen. Und Sto bedeutete Daac. Daac bedeutete, dass ich einiges zu erklären haben würde, über das ich lieber nicht sprechen wollte.
Seit wann war ich solch ein Feigling?
Ich seufzte und kratzte meine Kotze vom Stiefel. Es gab keinen Grund, sich wegen Daac den Kopf zu zerbrechen, oder über seinen Familienclan, oder darüber, wer mir als Erster eine Kugel in den Rücken jagen würde. Wenn es mir nicht gelang, diese Visionen unter Kontrolle zu bringen, würde ich allen die Arbeit abnehmen und mir selbst eine Kugel durch den Schädel jagen.
Denn es gab eine Sache, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte: Leute, die bei nüchternem Kopf völlig verrückt waren.
Mei konnte sich nur an zwei Orten aufhalten. Entweder in meinem alten Apartment oder bei Daac. Da meine Wohnung definitiv kein Ort war, an dem ich im Moment sein sollte – außer ich wollte zielgenau in Jamons Armen landen –, entschied ich mich für die andere Alternative.
Ich rief den Speicher meines Kompassimplantats von dem Tag ab, an dem ich mit Daac auf dem Dach seines Verstecks gestanden und er mir den Weg nach Fishertown erklärt hatte. Wenn alles glatt lief, konnte ich es schaffen, am nächsten Morgen dort anzukommen.
Mein Weg führte nach Westen. Im Tert umgaben mich die gewohnt schlechten Gerüche und seltsamen Geräusche. Normalerweise hätte ich eine Route entlang der Nordgrenze von Torley gewählt. Stattdessen hielt ich mich in südwestliche Richtung, entlang der Gegenden, die mir vertraut waren.
Abgesehen von den Zollstationen auf den meistbenutzten Straßen, gab es im Tert eigentlich keine strikten Grenzen. Der Übergang von einem Territorium zum nächsten war etwas, das man mit der Zeit lernte – und es gab einige offensichtliche Zeichen dafür.
Die Gegenden, in denen Muenos lebten, schrien meist vor grellen Farben. Torley, Shadouville und der nördliche Streifen waren durch die Vielzahl von Bars leicht von den anderen Teilen des Tert zu unterscheiden. In Plastique traf man die Resultate der extremsten chirurgischen Eingriffe an. Das östliche Ende, dort wo Teece lebte, war von Aussiedlern aus Fishertown bevölkert, die wiederum ihr eigenes Flair dorthin brachten.
Der Weg, den ich gewählt hatte – süd-östlich an Torley vorbei –, enthielt das Risiko, auf einige ernsthaft Verrückte zu treffen. Sie schienen von dieser Gegend förmlich angezogen zu werden und wirkten wie ein Puffer zwischen Dis und dem schwarzen Herzen des Tert.
Ich ging über eine aufgeplatzte Straße an einer Villenfront entlang. Plötzlich fühlte ich mich beobachtet. Langsam und äußerst behutsam löste ich eine lose Holzplanke von einer provisorischen Straßenbarrikade. Ich versicherte mich, dass die Nägel noch immer in dem Holz steckten. Mein Beobachter blieb eine Zeit lang in meiner Nähe, ohne mir zu nahe zu kommen.
Schade. Ich war fast schon wieder in der Stimmung für einen guten Kampf.
Schließlich verlor ich das Gefühl, verfolgt zu werden, gänzlich, als ich auf die dichtgedrängten Hauptverkehrswege traf. Der Tag strich unaufhaltsam dahin.
Am späten Nachmittag wurden die Rückseiten von Torleys Gebäudezeilen durch Wohneinheiten mit einer Vielzahl klumpiger Kokons und spinnenartigen Antennen auf ihren Dächern ersetzt.
Ich verkroch mich in einem leer stehenden Kokon und verbrachte dort die Nacht friedlich schlafend. Am nächsten Morgen fiel mir zum ersten Mal die Architektur in Daacs Gegend auf.
Jetzt würde ich erst einmal sein Territorium auskundschaften müssen. Mein Magen knurrte vor Hunger, aber an dieses Gefühl hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Das eigentliche Problem war, sauberes Wasser aufzutreiben. Die meisten Leute tranken aus den gemeinschaftlichen Regenwassertanks. Einige hatten auch ihre eigenen kleinen Auffangbecken. Sauberes, fließendes Wasser gehörte im Tert längst der Vergangenheit an.
Ich brauchte Wasser, Essen und Informationen. Und ich wusste beim besten Willen
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