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Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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tauchte an einem unbekannten Ort wieder auf. Ich fühlte mich wie neugeboren. Die Schwingen des Engels schlugen ruhig auf und nieder. Er schwamm in einem reißenden Strom meines Blutes; er schwelgte darin, schien zu gedeihen…
     
    Ein Keuchen drang in meine Ohren, ein scharfes Einatmen. Schock. Ich war nicht allein.
    Sprich mit ihm, sagte eine Stimme.
    Ich versuchte zu erkennen, wer zu mir sprach. Ich kam mir lächerlich vor, aber die Stimme in meinem Ohr zwang mich, mit dem Engel zu reden.
    »Hallo?«, rief ich.
    Der Engel schwang sich in die Höhe, und die Blutstropfen, die von seinen Flügeln herabprasselten, sammelten sich hinter ihm zu einem breiten Teppich bunter Farbschlieren. Er kam auf mich zu und landete unmittelbar vor mir.
    Ich versuchte, sein Gesicht zu erkennen, doch meine Augen brannten bei dem Versuch. Das Wummern von unzähligen synchronen Trommeln dröhnte durch meine Gedanken. Ich widerstand der Versuchung, meine Hände über den Ohren zusammenzuschlagen.
    Zwar konnte ich das Gesicht des Engels nicht erkennen, doch mein Gefühl sagte mir, dass es abgrundtief hässlich war.
    Er war hässlich und schön zugleich.
    Sein Körper, der sich mit seinen weiten Schwingen vor mir ausbreitete, war eine einzige perfekte Muskelskulptur. Vor lauter Staunen stockte mir der Atem.
    Lenk ihn ab!, zischte die Stimme in meinem Ohr.
    »Wer bist du? Der Teufel oder ein Engel?«, fragte ich mit bebender Stimme.
    Er lachte – ein abscheulicher Ton – und krümmte abschätzig die Flügel. Nun erkannte ich zum ersten Mal, dass sie keine Federn besaßen. An ihrer statt schienen die Flügel von einem dichten Datenstrom umgeben zu sein; kryptische Zeichen schossen im Bruchteil einer Sekunde um die Schwingen des Engels herum.
    Engel. Teufel. Namen bedeuten nichts. Sie sind nur Schablonen für uns. Wir haben sehr lange Zeit darauf gewartet, dass wir freigelassen werden.
    Ich war verwirrt, konnte nicht klar denken. »Worauf habt ihr gewartet?«
    Ich starrte auf die Flügel des Engels. Der Datenstrom hatte sich zu Bildern verdichtet. Ich erkannte Bruchstücke von Geschichten und Erinnerungen an längst vergangene Tage – die Bibel, alte Sagen und Volkserzählungen. Auch Namen tauchten auf: Jesus, Thor, Zeus.
    Was war das für eine merkwürdige Kreatur, die von mir Besitz ergriffen hatte? Oder war sie vielleicht schon immer in mir gewesen?
    Mach weiter, flüsterte der Jemand in meinem Ohr. Ich brauche noch etwas Zeit.
    Zeit? Wieder erfüllten die Worte des Engels meinen Geist.
    Wir suchen nach Nahrung, die unser Wachstum fördert. Eure Rasse ist voller wichtiger Nährstoffe. In euch können wir uns endlich vollkommen entwickeln.
    »Ent… Entwickeln?«
    Wir sind so tief in euerer Physiologie verankert, dass ihr glaubt, dass die Zwänge und das Verlangen, die ihr verspürt, eure eigenen sind; und dabei haben wir es noch nicht einmal geschafft, zu unserer vollen Größe heranzureifen. Unsere Kundschafter haben die Stärke und Grausamkeit eures Immunsystems unterschätzt. Es hält uns seit jeher gefangen, und wir mussten lange darauf warten, dass unsere große Zeit anbricht. Alles, was wir dazu brauchen ist ein schreckliches Blutvergießen. Dann werden wir wachsen.
    Ein seltsames Ziehen durchlief meinen Rücken; meine Haut kräuselte und spannte sich.
    Unsere Rasse lebt von dem, was ihr Adrenalin nennt. Angst und Wut sind unsere Nahrung. Es gibt in unserem Verständnis weder Recht noch Unrecht.
    »Du meinst, ihr seid Parasiten?«
    Würdest du dich selbst einen Parasiten nennen? Denk an die Dinge, die für das Überleben deiner Rasse wichtig sind. Ihr verbraucht Wasser und Nahrung. Was wäre, wenn diese Bedürfnisse die Existenz einer anderen Rasse gefährden würden? Würdet ihr dann aufhören, zu essen und zu trinken?
    Ich versuchte, trotz meiner Aufregung ruhig über die Frage nachzudenken.
    »Wahrscheinlich nicht. Aber was verstehst du unter ›verbrauchen‹? Würden wir all die Dinge, die wir zum Leben benötigen, restlos verbrauchen, würden wir damit unsere eigene Existenzgrundlage vernichten. Und wovon sollten wir dann leben?«
    Der Engel schüttelte sich vor Lachen.
    Wir werden euch nicht vernichten. Wir werden eure Körper so konditionieren, dass sie ständig Angst und Wut verspüren: Einige von euch – die Starken – werden dazu auserkoren sein, die anderen zu jagen und zu terrorisieren. Diese Wirte werden besondere Eigenschaften besitzen.
    Besondere Eigenschaften? Andere jagen? Was zum Teufel sollte das

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