Partials 1 – Aufbruch
sagte
Marcus. »Wenn die Leute ihn entdecken, reißen sie ihm Arme und Beine einzeln
aus.«
»Sie wissen doch gar nicht, wie er aussieht«, erwiderte Xochi. »Im
Zweifelsfall ist er einer von uns.«
»Sie können ebenso leicht einen Menschen für einen Partial halten
wie umgekehrt.« Kira beobachtete nervös die Menschenmenge. »Vielleicht haben
wir es übertrieben.«
»Wir haben noch gar nichts getan«, entgegnete Xochi. »Die Meute
nutzt uns überhaupt nichts, solange sie nicht eindringt und alles zerschlägt.«
Sie drängte sich weiter nach vorn. »Sie haben die ganze Zeit mit den Partials
unter einer Decke gesteckt!«, rief sie laut. »So machen sie das – neue Krankheiten,
neue Todesfälle, neue Unterdrückung! Es ist nicht das erste Mal!«
Kira und Marcus folgten Xochi, so rasch sie konnten, und bahnten
sich einen Weg durch die unruhige Menge. Kira fühlte sich vom Morphium benommen
und war zugleich verängstigt, alles klang schrecklich laut und zornig und viel
gefährlicher als im richtigen Leben. Sie schüttelte den Kopf. Sie musste sich
konzentrieren.
Xochi war inzwischen ganz vorn, stieg auf die Haube eines alten
Autos und sprach zu der Menge. »Wisst ihr, warum sie das machen? Weil sie uns
kontrollieren wollen! Denn wenn wir Angst haben, tun wir alles, was sie uns
befehlen.« Der Mob brüllte zustimmend. Xochi fuhr fort. »Verpetzt eure
Freunde!, verlangen sie von uns. Verlasst die Stadt nicht! Werdet schwanger,
ehe RM uns alle umbringt!« Die Menschen brüllten
immer lauter, sie gerieten in Rage und kreisten um Kira wie die Gasmoleküle bei
der Brown’schen Bewegung. Schließlich warf jemand einen Stein nach den
Soldaten, verfehlte sie jedoch. Das Wurfgeschoss krachte hinter der Postenkette
gegen die Glastür. Weitere Steine folgten, es war ein böser Hagelschauer. Xochi
schrie unterdessen aus Leibeskräften weiter. »Wir haben genug von den Geheimnissen!
Wenn der Senat dort drinnen einen Partial festhält, dann soll er ihn holen,
damit wir ihn sehen können!«
Die Menge, eine Flutwelle zornig erhobener Fäuste, drängte nach
vorn. Die Soldaten schossen in die Luft, worauf sich die Leute zurückzogen,
aber nicht so weit wie zuvor. Die Lücke war kleiner denn je.
»Zum Glück haben sie niemanden erschossen«, sagte Kira.
»Wahrscheinlich gab es einen entsprechenden Befehl. Wir müssen die Türen
stürmen, ehe sie tödliche Schüsse abfeuern dürfen.«
»Sie schießen auf die eigenen Leute!« Xochi griff nach der Pistole.
Kira und Marcus stürmten erschrocken nach vorn, um sie zu erreichen, ehe sie
eine Schießerei anzettelte.
»Die haben Automatikgewehre!«, rief Kira, doch ihre Stimme ging in
dem Getöse unter. »Xochi, nicht!«
Xochi wandte sich mit erhobener Pistole um, und in diesem Moment packte
Marcus sie am Bein und riss sie nach unten. Mit lautem Krachen stürzte sie auf
die Motorhaube des Autos. Kira fasste die Hand mit der Pistole und sorgte
dafür, dass sie nach oben in den Himmel zielte. Xochi keuchte und rang nach
Luft, dann stöhnte sie und hustete.
»Autsch!«, schnaufte sie.
»Du darfst noch nicht schießen!«, fauchte Kira. »Die Soldaten
veranstalten sonst ein Massaker.«
»Wir müssen die Sache in Gang bringen.« Marcus sprang, in jeder Hand
einen Stein, neben Xochi auf die Motorhaube. »Stürmt die Türen!«, rief er und
warf den ersten Stein. Er traf einen Soldaten am Arm. Der Mann riss sofort das
Gewehr hoch und zielte auf die Menge, doch der Offizier neben ihm drückte die
Waffe nach unten und rief etwas Unverständliches. Marcus warf den zweiten Stein
und traf eine Tür. Das Sicherheitsglas zersprang und rieselte in Form kleiner
Würfel zu Boden. Es war, als hätte die Menge ein Signal erhalten. Die Menschen
stürmten wieder vor. Xochi verstaute die Pistole unterdessen im Halfter, und
dann rannten sie zusammen mit den anderen los und mussten gleich wieder
anhalten, als die erste Reihe gegen die Soldaten anprallte. Kira wurde von
allen Seiten gequetscht, jemand trat ihr auf den Fuß, sie bekam eine Ferse auf
die Brandwunde und ging vor Schmerzen fast in die Knie. Wenn ich stürze,
trampeln sie mich tot, dachte sie. Sie kam kaum zu Atem und drängte mit aller
Kraft weiter.
»Der Mob wird sich nach rechts wenden, wenn wir die Türen
aufgebrochen haben.« Marcus schnaufte vor Anstrengung. »Wir laufen nach links
zur Treppe.«
Hinter ihr drängten die Leute, Kira konnte nicht mehr ausweichen.
Der Druck presste ihr langsam die Luft aus den Lungen. Sterne tanzten ihr
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