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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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stellte. Warum hatman mich niedergeschlagen? Was ist auf dem Boot geschehen? Warum hat man mich entführtund eingesperrt? Was will manvon mir? Was muss ich tun, um hier wieder rauszukommen? Wann wird man mich vermissen? Wird mir jemand zu Hilfe kommen?
    Für einen Moment hatte sie die Hoffnung, dass die Schritte ein gutes Zeichen waren. Jemand kam, um sie zu befreien. Sie stand von ihrer Matratze auf. Sie durchquerte den Raum, lief zur Tür und hämmerte dagegen. «Hier bin ich», rief sie. «Hierher! Hilfe!»
    Sie lauschte. Es war nichts mehr zu hören. Sie hielt den Atem an. Ihr Herz pochte, sie stand reglos an der Tür. Vielleicht hatte sie sich getäuscht. Vielleicht hatte sie sich das Geräusch nur eingebildet. Vielleicht waren ihre Nerven schon jetzt so zerrüttet, dass sie anfing, verrückt zu werden.
    Aber da war es wieder. Sie hatte richtig gehört. Die Schritte kamen näher.
    Plötzlich erfasste sie wilde Panik. Was, wenn es der Mann vom Boot war? Wenn er kam, um sie zu töten?
    Sie lief zurück zu ihrer Matratze, legte sich auf den Bauch und schloss die Augen.
    Sie wollte den Mann auf keinen Fall sehen. Er sollte nicht befürchten müssen, dass sie ihn später wiedererkannte. Wenn sie nicht wusste, wie er aussah, war alles gut.Aber wenn er unmaskiert war, wenn sie sein Gesicht sehen würde, war sie so gut wie tot.
    Jemand steckte einen Schlüssel ins Schloss. Der Schlüssel wurde umgedreht. Dann wurde die schwere Metalltür geöffnet.
    Für einige Sekunden herrschte völlige Ruhe.
    «Stehen Sie auf!», sagte eine Stimme. «Kommen Sie!»
    Es wardie freundliche Stimme eines alten Mannes. Sofort wurde Valerie ruhiger. Es war nicht der Mann vom Boot. Es war nicht der Mann mit der großen Brille, nicht jener, der Joachim Morlang erschossen hatte.
    Sie öffnete dieAugen, drehte sich um und schaute zur Tür. Sie sah die große Gestalt des alten Mannes im Halbdunkel stehen. Sie stand auf und ging auf ihn zu.
    Dann reichte sie ihm die Hand: «Meine Name ist Valerie Rochard.»
    Der alte Mann lächelte.
    «Ich weiß», sagte er. Sein Händedruck war weich. Es war, als habe erAngst, sie zu verletzen. «Nennen Sie mich Horst… oder Heinrich, egal! Oder nein, nennen Sie mich Doktor! Das würde mir gefallen.»
    «Doktor, ich bin froh, dass Sie…»
    «Psst, nicht reden!», unterbrach sie derAlte, ohne seine Stimme zu heben. «KeineAufregung! Es wird zu viel geredet. Gehen Sie einfach vor.»
    Sie gingen durch einen langen, schwachbeleuchteten Gang, eine Art Tunnel, unter dessen Decke die gleichen braunen Rohre verliefen, auf die sie auch schaute, wenn sie auf ihrer Matratze im Bunker lag.
    Valeries Gedanken arbeiteten fieberhaft. Sie fragte sich, wer dieser Mann war, demes gefiel, von ihr Doktor genannt zu werden. Obwohl sie augenblicklich Zutrauen zu ihm gefasst hatte, benahm er sich nicht wie ein Arzt, der gekommen war, um ihr zu helfen. Er machte keinerleiAnstalten, sie zu beruhigen oder ihr wenigstens zu erklären, was er mit ihr vorhatte. Stattdessen hatte er ihr, wenn auch mit freundlicher Stimme, verboten zu sprechen.
    Als sieam Ende des Ganges angekommen waren, drehte sie sich um. Mit einer knappen Bewegung seines Kopfes zeigte der Doktornach rechts. Sie stieg die Stufen einer steilen Steintreppe hinauf. Ihre rechte Hand glitt über das kühle Metall des Geländers. Direkt hinter sich hörte sie das Atmen des alten Mannes.
    Dann standen sie in einerArt Diele. Die Wände waren mit Holz vertäfelt, der Boden mit einem kunstvoll gearbeiteten Parkett belegt. Es gab Türen, die in andere Zimmer führten. Es gab eine Garderobe, an der eine Jacke und ein Hut hingen, es gab einen Schirmständer, einen Spiegel und eine Deckenlampe.
    «Die Welt hat mich wieder!», sagte Valerie erleichtert.
    Statt zu antworten, öffnete derAlte eine der Türen, dann blieb er stehen und machte eine Handbewegung. «Bitte», sagte er. «Nach Ihnen!»
    Sie kamen in ein Büro. Valerie schaute sich um.An der gegenüberliegenden Wand stand ein Bücherschrank mit zwei Türen aus Glas. Daneben ein kleines Bettsofa mit einem Tischchen davor, auf dem eine Leselampe stand. Das einzige Fenster wurde von langen Vorhängen verdeckt. Rechts stand quer im Raum ein massiver, wenn auch nicht großer Schreibtisch aus dunklem Holz. Davorund dahinter jeweils ein einfacher, gepolsterter Stuhl. Wie in einem alten Film, dachte Valerie. So waren die Büros in alten Filmen eingerichtet. In Filmen aus den dreißiger oder vierziger Jahren des vorigen

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