Partnerin wider Willen
nachdem das mit Stella passierte, wurde mein Nachbar überfallen und krankenhausreif geprügelt. Kessler ließ durchblicken, dass man bestimmte Sachen selbst in die Hand nehmen müsse. Meinen Nachbarn zu verklagen sei nicht genug. Er würde höchstens eine Geldstrafe bekommen. Ganz ehrlich: Ich war Kessler dankbar, dass Stella gerächt wurde. Von da an vertraute ich ihm unbesehen. Und genau das war es, worauf Kessler aus war.«
Trotz Grubers beklagenswerter Geschichte – oder genaugenommen gerade deswegen – musste Ellen ihm die entscheidende Frage stellen. »Herr Gruber, wo waren Sie Donnerstagabend und Freitag?«
»Von Donnerstag auf Freitag hatte ich Nachtschicht in der Klinik. Ergo habe ich Freitag geschlafen.«
»Und abends?«
»War ich mit einem befreundeten Kollegen unterwegs.«
»Wo?«
»Ein Open-Air-Konzert im Stadtpark.«
»Karten schon weggeschmissen?«
»Nein.« Gruber ging in den Flur, kam mit seiner Brieftasche wieder, holte daraus eine Karte hervor und reichte sie der Kommissarin. »Hier, bitte.«
Ellen schaute darauf und nickte. »Natürlich kein sehr stichfestes Alibi.«
»Wusste ja nicht, dass ich eines brauche.« Gruber nahm die Karte wieder an sich.
Ellen gab Dana ein Zeichen. »Gut, Herr Gruber. Das war es schon. Wir melden uns, wenn wir weitere Fragen haben.«
Gruber brachte sie zur Tür.
»Kessler arbeitete wirklich mit einem breiten Repertoire an Gemeinheiten«, meinte Dana, nachdem Gruber die Wohnungstür hinter ihnen geschlossen hatte. »Jeder dieser Leute hatte wirklich gute Gründe, Kessler zu hassen.«
Sie gingen die Treppe hinunter, Ellen Dana voran. »Aber jemanden hassen und jemanden umbringen sind zwei verschiedene Dinge«, sagte sie.
»Nicht, dass hier ein falscher Eindruck aufkommt. Gruber tut mir leid, keine Frage. Trotzdem würde mich nicht wundern, wenn er die Kontrolle über sich verloren hätte«, tat Dana hinter Ellen ihre Meinung kund.
»Hat er doch auch. Deshalb stürmte er in Kesslers Büro und verpasste ihm eine. Aber ist sein Groll so groß, dass er ihn Tage später mit einer Droge betäubt und zur Stepenitz bringt, wo Kessler ertrinkt?«
»Davon haben Sie mir ja noch gar nichts gesagt«, beschwerte sich Dana.
»Wovon?«
»Dass Kessler betäubt wurde. Um das mal klarzustellen: Zu unserem Deal gehört auch, dass Sie mich auf dem aktuellen Stand der Ermittlungen halten.«
»Aber das tue ich doch gerade. Kessler wurde mit Flunitrazepam vergiftet.« Sie traten auf die Straße. »Auf zur letzten Adresse.« Ellen stieg in ihren Wagen.
Die fünfte Person auf Gerstäckers Liste war Rainer Tauber, selbständiger Werbemanager. Seine Agentur war allerdings pleitegegangen und das Geld, das er von der Bank geliehen hatte, futsch. Deshalb hatte das Institut Taubers Haus pfänden lassen. Die Zwangsversteigerung war per Briefgebot abgewickelt worden. Kesslers Angebot gewann. Ein abgekartetes Spiel, wie Tauber versicherte, denn Kessler bekam den Zuschlag für einen Preis, der weit unter dem Wert des Hauses lag. Donnerstagabend war Tauber, wenn seine Angabe stimmte, bei einer Flatrate-Saufpartie gewesen. Von der er sich Freitag erholt hatte, um dann abends den Restkater mit Alkohol zu bekämpfen. Er gab ein paar Namen von Freunden an, die das bestätigen konnten.
Wieder auf der Straße, lehnte Ellen sich gegen ihren Wagen. »Auch die fünfte Geschichte fügt sich ins Schema. Wie Kessler arbeitete, darüber wissen wir jetzt Bescheid.«
»Was ist mit Gerstäcker? Er ist Kesslers rechte Hand. Der hat doch sicher überall mitgemauschelt. Wenn Kessler von einem dieser Leute getötet wurde, schwebt Gerstäcker auch in Gefahr«, gab Dana zu bedenken. »Sie sollten ihn warnen.«
»Ja, wenn. Aber eine Warnung halte ich für überflüssig. Gerstäcker weiß doch wohl selbst am besten, was er getan und wen er verärgert hat. Schließlich hat er die Liste erstellt.«
Dana zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie meinen.«
Ellen nickte. »Meine ich.«
»Gut. Was machen wir jetzt?«, wollte Dana wissen. »Den Tag auswerten? Vielleicht bei einem Bierchen?«
Der lange Blick, mit dem Ellen sie maß, zeugte von wenig Begeisterung für diesen Vorschlag. »Wir haben doch gerade ausgewertet«, ließ sie Dana abblitzen, öffnete die Wagentür und schickte sich an einzusteigen. »Ich fahre jetzt in die Dienststelle. Und Sie sollten wissen, dass Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeuges nicht zusammenpassen.« Ellen setzte sich in ihren Wagen. »Aber ich tue mal, als hätte ich
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