Party Girl - Roman
etwas richtig machte, aber genauso nett, wenn sie komplett danebenlag. Immer wenn sie total danebenlag, bekam sie vor Verlegenheit einen Lachkrampf. Dann wartete er, bis sie damit durch war, reichte ihr den Teller mit den Gummibärchen, sie stopften sich den Mund voll und er sagte: »Okay, kein Problem. Ich erklär dir’s noch mal.« Irgendwie war es ziemlich gut. Mathe konnte auch Spaß machen, man konnte sich dabei wohlfühlen.
Vielleicht hatte das gute Gefühl aber auch etwas damit zu tun, dass sie auf einmal wieder etwas so Normales machte wie für die Schule lernen. Etwas so Normales wie mit je mandem reden, der einem keine Pillen verzocken wollte und der sicherlich nie auf die Idee kommen würde, sie auf eine Party mitzuschleppen und high zu machen, um sie da nach mit einem Foto zu erpressen.
Dominik ahnte nicht, wie dankbar Mona ihm war, und Mona bemühte sich nach Kräften, es sich nicht anmerken zu lassen.
Er sagte kein Wort über Mirko und dafür war Mona ihm besonders dankbar.
Um elf Uhr fiel sie schließlich todmüde ins Bett und ver suchte, an gar nichts zu denken.
9. Kapitel
Es hatte sich rumgesprochen, dass Mona Pillen vertickte. Die Leute in ihrer Klasse wussten Bescheid. Mona spürte es sofort, als sie am Dienstagmorgen in die Klasse kam. Es wurde sofort still. So, wie es still wird, wenn der Lehrer in die Klasse tritt. Wenn man Arbeiten zurückbekommt. Oder wie damals in ihrer alten Schule, als Carla auf einmal im Religionsunterricht erzählt hatte, dass ihr Vater immer zu ihr ins Bett kam, wenn ihre Mutter nicht da war. So eine Stille hatte Mona zuvor noch nie in der Schule erlebt. Als spürten alle, dass nichts von nun an wieder so sein wür de wie früher.
Mona ging zu ihrem Platz. Ihre Knie zitterten, aber sie ließ sich nichts anmerken. In ihrer Tasche war das Tütchen mit den Pillen. Sie versuchte, nicht daran zu denken.
Die Leute, die am Fenster standen, hatten sich zu ihr um gedreht, ihre Blicke folgten Mona bis zu ihrem Platz.
Mona setzte sich hin.
Antonia, die neben ihr saß, rückte ein Stückchen von ihr weg. Vielleicht kam es Mona auch nur so vor.
»Morgen«, murmelte Mona.
»Ja, Morgen«, sagte Antonia.
»Haben wir jetzt eigentlich Deutsch?«, fragte Mona, weil ihr spontan nichts anderes einfiel, was unverfänglich klang.
»Nee, die Deutschstunde ist doch getauscht gegen Eng lisch, weil die Fleischhauer krank ist.«
Das hatte Mona vergessen.
»Ah«, sagte sie, »danke.« Sie holte ihr Englischbuch raus. Und die Lektüre, sie lasen gerade »Catcher in the Rye«. Der Fänger im Roggen von J. D. Salinger. Es handelte von ei nem sechzehnjährigen Typen aus New York, der ziemlich viele Probleme hatte. Ihre Englischlehrerin nannte das Buch ein »Kultbuch«. Mona starrte auf den Umschlag. Ver suchte, sich zu erinnern, bis zu welcher Stelle sie gekom men waren. Hörte aber immer nur ihr Herz, wie es hämmer te.
»Ich hab eine Scheißlaune«, sagte Antonia. »Wegen Ma the.«
Antonia war wieder mal von oben bis unten in Schwarz gekleidet. Mona konnte sich nicht erinnern, Antonia je in einem farbigen Fummel gesehen zu haben. Alles an ihr war pechschwarz. Die Haare, die Augenbrauen, der Lippenstift. Dickes Kajal um die Augen. Ihr Gesicht jedoch ganz weiß geschminkt. Antonia gehörte zu der Truppe von Leuten, die World of Warcraft spielten, bis ihnen die Finger wehta ten. Sie fühlte sich als irgendeine von diesen Figuren. Sie lebte gar nicht wirklich in der Realität, sondern immer in diesen virtuellen Spielen. Es gab ein paar Leute an der Schu le, die genau solche Freaks waren wie Antonia. Sie trugen al le Schwarz.
Antonia war Vegetarierin, genauer gesagt Veganerin. Sie aß nichts vom Tier, nicht einmal Eier. Sie trank keine Milch. Sie ernährte sich nur von Körnern und Müsli und Kräutertee. Sie hatte Mona einmal erzählt, dass ihre Kacke eine schöne Farbe hatte, Hellgelb, und nicht so hundekackfarben wie bei Leuten, die Fleisch essen.
Sie hatte hundekackfarben gesagt und Mona hatte auf dem Nachhauseweg jeden Hundehaufen angeguckt. Gut sah das wirklich nicht aus. Aber Hellgelb war besser, oder wie?
»Ich hab eine Scheißangst vor der Mathearbeit«, sagte An tonia. Sie ließ Mona nicht aus den Augen. »Du auch?«
Mona zuckte mit den Schultern. »Geht so«, sagte sie.
Sie beobachtete Jasper und Miriam, die am Fenster stan den, zusammen mit Ömer und Benjamin. Manchmal schauten sie zu Mona hin und dann steckten sie wieder die Köpfe zusammen.
Mona fiel in diesem
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