Pas de deux
Seufzen auf die Seite wälzte, kam es mir immer noch (es stimmt nicht nur, was sie mir erzählt hat, sie hatte sogar einiges vergessen, wie ich jetzt einsehe), und ich sagte mir, jetzt bin ich verloren, gleich werde ich trotz all meiner Vorsätze den Arm nach ihm ausstrecken. Ich spürte, daß ich nachgab, und es war mir egal. Eine Stimme sagte mir, daß meine Schwüre nicht mehr galten, daß sich die Lage geändert hatte. Er war noch in meinem Schoß, in meinem Mund, an meiner Brust, tief in meinem Hals, schweißnaß in meinen Armen.
In diesem Augenblick hatte ich dann ein unglaubliches Glück. Er machte den Mund auf bevor ich mich rührte, bevor ich den unverzeihlichen Fehler begehen konnte. Wenn ich nur seine Hand gestreichelt hätte, ich … nein, ich darf gar nicht daran denken.
Er sagte: »Sie kommt bald zurück. Ich glaube, du solltest dich lieber anziehen.«
Ich bin wortlos aufgestanden. Ich bin ins Badezimmer gegangen und habe meine feuchten und eiskalten Sachen angezogen, ohne eine Miene zu verziehen, in aller Ruhe und leichenblaß. Dann bin ich ins Schlafzimmer zurückgekehrt. Er lag noch auf dem Bett. Ich habe mit aller Wut und mit all der Zärtlichkeit, die er in mir geweckt hat, die Faust geballt. Er hat gelächelt. Ich habe ihm meine Faust mit dem ganzen Gewicht meines Körpers mitten ins Gesicht gepfeffert. Fast hätte ich mir die Hand gebrochen.
Mein Abenteuer mit Anna endete noch am gleichen Abend. Nach einer hitzigen Auseinandersetzung warf sie meine Sachen in einen Koffer und schmiß ihn ins Treppenhaus. Sie wimmerte und brüllte zugleich, sie drohte, mir den feuchten Umschlag runterzureißen, den ich auf mein Auge preßte. Dann stieß sie mich nach draußen, knallte die Tür zu. Und öffnete sie sogleich wieder, zog mich nach drinnen und tanzte wieder um mich herum. Ein ums andere Mal rief sie: »Sag, daß du das nicht getan hast!!«, wo ich ihr doch die ganze Geschichte haarklein erzählt hatte.
Ich war außer mir. War dermaßen verbittert nach allem, was mir geschah, daß ich nicht mehr wußte, warum ich mich an dieses Mädchen klammerte, warum man überhaupt die Nähe von einer dieser Bekloppten suchte. Halb weinend, halb gegen meinen Arm boxend – vielleicht trainierten sie zusammen? –, setzte sie mich erneut vor die Tür. Das Treppenhaus nahm den Geschmack der Katastrophe und einer leicht betäubenden Freiheit an. Doch auf den ersten Stufen holte sie mich wieder ein. Mein Koffer kullerte eine ganze Etage hinunter.
»Mit uns ist es aus!!« schrie sie mir ins Gesicht.
Sie stieß mich in den Sessel. Versuchte mir das Gesicht zu zerkratzen. Ich drängte sie mit dem Fuß zurück. Plötzlich erkannte ich, daß die Frauen mein ganzes Leben durcheinandergebracht hatten, daß sie der Ursprung all meiner Leiden, all meines Verdrusses, des finsteren Wirrwarrs in meinem Kopf waren.
»Oh, du Scheißkerl!!« wimmerte sie und fiel vor meine Knie, umklammerte sie und näßte sie mit ihren Tränen. »Du hattest kein Recht!«
Während sie jammerte, spürte ich, daß in mir, wie Gespenster auf einem Schlachtfeld, die große Armee der Erniedrigungen, der Qualen, der Zwänge, die sie mir angetan hatte, wach wurde, und ihr wildes Geschrei stieg in meine Brust. Ich war wie benommen ob dieses Aufstands. Das war wie ein Damm, der nachgab, das war, als ergösse ich einen Strom heißen Blutes über sie, doch sie klammerte sich weiter an meine Beine. Als sie anfing, meinen Hosenschlitz zu öffnen, sprang ich auf.
»Was ist denn?!« kreischte sie mit wirrem Blick.
Monatelang hatte sie mich mit derlei Praktiken festgehalten, jeder Quadratzentimeter ihres Körpers hatte gegen mich gearbeitet, hatte mich geblendet und mitgerissen und gnadenlos zerquetscht. Ah, wie lau und lächerlich kam mir das alles vor nach dieser Session, die ich hinter mir hatte!
Und da verlor auch ich den Kopf, zum erstenmal spürte ich, daß ich ihr widerstehen konnte, daß das, was ich so sehr zu verlieren fürchtete, mich vielleicht nicht töten würde, wenn ich mich davon losmachte. Dieser Gedanke löste widersprüchliche Empfindungen in mir aus. Das war, als müßte ich von einer Brücke springen, mir zitterten die Knie, doch ich hatte ein unbändiges Verlangen, es zu tun, das war sehr beängstigend und wundervoll zugleich, das war der Lockruf des Unbekannten, düster und aufregend. Ich brach in ein wildes Lachen aus. Sie fühlte sich getroffen und reagierte mit zwei, drei Verleumdungen meiner Männlichkeit. Sie hatte nicht
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