Passionsfrüchtchen
Ninas Wohnzimmer auf dem Sofa. „Es erschien mir gleich seltsam, als du mir erzählt hast, du sollst seine Frau spielen.“
Nina musste sich eingestehen, dass Sandras Instinkt mal wieder untrüglich gewesen war. Nachdem sie aus dem Büro von dem echten André Schuster herausgekommen war, hatte sie sich wie betäubt gefühlt. Wie ein Roboter war sie an ihren Arbeitsplatz gegangen und hatte versucht, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber ihre Gedanken waren immer wieder zu dem Gespräch zurückgekehrt. André hatte Sven eine neue beruflichePerspektive aufzeigen wollen. Er hatte ihn bewusst in ein Verkaufsgespräch verwickelt, das gar keins war. Aber wieso? Das hatte Nina die ganze Zeit nicht verstanden.
„Weißt du“, sagte sie zu Sandra, „ich finde es ja gar nicht so schlimm, dass er einen anderen Namen hat. Aber wieso hat er mir das nicht gesagt? Es wäre doch nichts dabei gewesen. Hat er geglaubt, ich verrate ihn? Vertraut er mir so wenig?“
„Hm. Nein. Ich glaube, da steckt etwas anderes dahinter“, meinte Sandra.
Das glaubte Nina inzwischen auch. Aber was? Und dann die Sache mit der beruflichen Perspektive.
„Ich kapier das nicht. Herr Schuster hat mir gesagt, dass er und André … ich meine er und Sven sich vom Studium kennen. Also haben sie doch wohl das Gleiche studiert. Wieso will er ihm dann eine neue Perspektive aufzeigen? André … ach verdammt! Sven verdient doch gut. Er hat ein cooles Penthouse und Geld genug. Was braucht er denn für eine Perspektive? Verstehst du das?“
„Nein, Sweetie. Da blicke ich noch weniger durch als du. Aber mein Instinkt sagt mir, dass du es bald erfahren wirst.“
„Zu blöd, dass er dieses Wochenende diesen Geschäftstermin hat. Jetzt muss ich warten, bis …“
Nina blieb der Mund offen stehen. Wenn er gar nicht André Schuster war, was war das dann für ein Termin? Einmal mehr entstand vor ihren Augen das Gespenst einer anderen Frau. War sie für ihn doch nur ein Zeitvertreib?
„Glaubst du, er hat eine andere Frau?“
„Woher soll ich das wissen?“, entgegnete Sandra. „Du hast ihn mir ja nicht vorgestellt. Wie soll ich das da beurteilen können?“
Ninas Kinn fing an zu zittern. Sie fühlte sich an die Situation in Svens Wohnung erinnert, als sie schon einmal den Verdacht hatte, er könnte eine andere Frau haben. Nur diesmal war kein Sven da, der sie in die Arme nahm und ihr versicherte, dass es da niemanden gab außer ihr.
Sandra waren die Gefühlsregungen ihrer Freundin nicht entgangen. Sie nahm Ninas Hand und drückte sie. „Hey, Sweetie. Nicht weinen. Ich bin sicher, es ist alles ganz harmlos. Wenn du ihn am Sonntag siehst, dann fragst du ihn und alles wird sich aufklären.“
Es würde nie wieder einen Tag geben, der sich so hinzog wie dieser Samstag. Schon um sieben Uhr war Nina hellwach. Sie hatte schlecht geschlafen, denn in ihrem Kopf hatte sie immer wieder die gleichen Fragen hin und her gewälzt, war aber zu keinem Ergebnis gekommen.
Nachdem sie geduscht, gefrühstückt und eingekauft hatte, wusste sie nicht so recht, was sie mit dem Tag anfangen sollte. Um die Mittagszeit fing sie an, sich etwas zu Essen zuzubereiten, aber kaum stand die Mahlzeit vor ihr auf dem Tisch, saß sie nur noch lustlos davor und stocherte appetitlos darin herum.
Sie ließ den Teller stehen und fing an, ihre Wäsche zu bügeln. Aber als sie kurz davor war, in ihre Lieblingsbluse ein Loch zu brennen, stöpselte sie das Bügeleisen wieder aus und ließ es sein.
Auf dem Tisch im Flur stapelten sich Zeitschriften, Rechnungen, Werbung, was immer in den letzten drei Wochen in ihrem Briefkasten gelandet war. Sie müsste dringend ausmisten und die Rechnungen wegsortieren. Aber sie machte sich nicht einmal die Mühe, den Stapel durchzusehen.
Unmotiviert ließ sie sich auf ihr Sofa fallen und zappte durch die Kanäle ihres Kabelfernsehens: Eine Sportsendung, eine Koch-Show, eine Doku-Soap, eine Verkaufssendung, eine Infotainment-Sendung … so ging es weiter durch alle vierundzwanzig Kanäle. Sie schaltete den Fernseher wieder aus. Svens Worte fielen ihr wieder ein: Das meiste sind doch eh Wiederholungen oder Blödsinn, für den sich kein normaler Mensch interessiert. Wenn ich einen guten Film sehen will, gehe ich ins Kino.
Sven! Sie konnte sich noch gar nicht richtig daran gewöhnen, ihn so zu nennen. Viele Dinge, die ihr merkwürdig vorgekommen waren, ergaben auf einmal einen Sinn. Liebte sie ihn denn überhaupt? Doch! Sie war sich sicher. Egal, welchen
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