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Titel: Password - Zugriff für immer verweigert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous , Verena Kiefer
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gerade noch rechtzeitig, was Dexter gesagt hatte.
    »Es wird bestimmt wieder gut, Mama«, sagte er. »Du findest sofort wieder eine neue Stelle.«
    Stefans Handschrift war nicht genau wie die seines Zwillingsbruders. Dexter war es über Kasia gelungen, einen Aufsatz von Jerro in die Finger zu bekommen. Stefan studierte ihn genau und schrieb Wort für Wort nach. Nicht ein Mal, sondern zehn Mal.
    »Die Schlaufe vom L ist noch nicht richtig«, sagte Dexter. »Und Jerro verwendet ein anderes T als du.«
    Stefan schrieb und schrieb. Er übte so lange, bis es fast perfekt war und man keinen Unterschied mehr sah. Es klappte nur noch nicht, in seinem üblichen Tempo zu schreiben.
    Sie spielten Restaurantbesuch, wobei Stefan lernte, welches Besteck er bei welchem Gang oder Gericht verwenden musste. Anhand der Filme schaute er sich ab, wie Jerro lief oder sich bewegte. Er gewöhnte sich an, nicht mehr im Sessel zu hängen, sondern aufrecht zu sitzen und genau wie Jerro die rechte Augenbraue zu heben, wenn er erstaunt war.
    Er bekam Fotos von der Umgebung der Prismaschule, die Jerro besuchte. Auf Streetview ging er die Strecke zur Bäckerei Joppen, in der Mick und Jerro häufig Käsebrötchen holten. Auch das Kino, Jerros Lieblings-Comicladen und seine bevorzugte Imbissbude würde er finden.
    »Alfred bringt euch überallhin«, sagte Dexter, »aber es ist praktisch, wenn du vorbereitet bist und den Ort sofort erkennst.«
    Stefan las endlose Textstücke über Ereignisse, die Jerro erlebt hatte, Dinge, die Kasia aufgeschnappt oder auf Fotos gesehen hatte. Feste, bei denen sie selbst anwesend gewesen war, wie bei Jerros vierzehntem Geburtstag mit einem Auftritt von Anouk.
    Anouk! Stefan hatte zehn Minuten gebraucht, um sich davon zu erholen, als er das hörte.
    Er betrachtete unzählige Trailer von Filmen, die Jerro und Mick zusammen angesehen hatten. Manchmal hatte er Glück und er bekam den Film auf DVD, sodass es einen Nachmittag lang Heimkino gab.
    Er lernte auch Tuppen. Dexter nahm ihn regelmäßig mit in eine Kneipe in der Nachbarschaft, in der fanatisch Karten gespielt wurde. Stefan lernte allerlei Tricks und stand den anderen bald in nichts mehr nach.
    Zu Hause lief es weniger gut. Nach ihrer Entlassung bei Aldi hatte seine Mutter gehofft, mehr Wasch- und Bügelwäsche zu bekommen. Seltsamerweise war die Kundschaft jedoch rückläufig. Selbst Frau Poelstra ließ nach fünf Jahren nichts mehr von sich hören. Stefans Mutter beschloss, sie anzurufen und nach dem Grund zu fragen. Aber als sie die Kundenliste mit Adressen und Telefonnummern zur Hand nehmen wollte, konnte sie diese nirgends mehr finden.
    Stefan half seiner Mutter, Stellenausschreibungen im Internet zu finden. Sie suchten alle Supermärkte der Stadt ab. Außer gigantischen Blasen an den Fersen kam nichts dabei heraus. Ein Mal wurde sie fast eingestellt, bis der Personalchef auf die Idee kam, noch kurz ihre Referenzen bei Aldi zu überprüfen.
    Wegen der in Aussicht gestellten Million machte sich Stefan noch nicht allzu viele Sorgen. Es war vor allem blöd, dass er nicht mehr unbemerkt bis sechs Uhr wegbleiben konnte.
    Aber Dexter hatte die Lösung. Stefan gab vor, einen Job in einem Bekleidungsgeschäft gefunden zu haben. So konnte er einfach weiter zu Dexter gehen und bekam auch noch Geld dafür.
    Der Winter flog vorbei, während in der Kleistraat eine Mahnung nach der anderen durch den Briefschlitz fiel – EIN MIETRÜCKSTAND VON ZWEI MONATEN … BITTE BEGLEICHEN SIE IHRE GAS- UND STROMRECHNUNG … – und Stefan seinen Kopf mit Informationen über Jerro vollpumpte.
    »Ich glaube, du bist bald so weit«, sagte Dexter eines Tages. »Du musst nur noch ein Kilo abnehmen und zum Friseur.«
    Stefan aß schon seit einiger Zeit keine Hamburger mehr, trank weniger Cola und rannte jeden Tag von der Schule nach Hause. Seine Hosen saßen schon lockerer. Es wurde ein Datum geplant – am Samstag, den 11. Mai, sollte der Austausch stattfinden.
    »Wo?«, fragte Stefan.
    Er und Dexter saßen zusammen auf dem Riesensofa.
    »In einem abgelegenen Haus, das ich speziell für diesen Anlass gemietet habe«, antwortete Dexter. »Deine Mutter und du wohnen dann schon dort. Ihr werdet bald umziehen.«
    »Und wenn meine Mutter nicht will?«
    Dexter streckte die Beine. »Als ob sie noch einen guten Grund zum Bleiben hätte.«
    In Stefans Gehirn knisterte es. Es passte Dexter tatsächlich gut in den Kram, dass seine Mutter entlassen worden war und die Miete nicht mehr bezahlen konnte.

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