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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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diesen Teil der Stadt vor der Sanierung, als hier noch die alten Piers des Zollgebäudes gelegen hatten. Das war ihm damals lieber gewesen, riesige gesichtslose Lagerhäuser, die sich über öde Brachen erstreckten. Jetzt gab es hier eine künstliche Stadt innerhalb der Stadt, die überall auf der Welt die Banken anzog.
    Cameron starrte zu den mehrstöckigen Bürogebäuden, die alle aus den gleichen grünen Glasflächen bestanden und im Sonnenlicht glitzerten. Wie diese beschissene Smaragdstadt in Oz.
    Er lehnte sich gegen die Stahlbalustrade vor dem George’s Dock. Früher war hier ein richtiger Pier gewesen, der nach Teer und toten Fischen gerochen hatte. Den hatte man zu einem dekorativen See umgebaut. Aus insgesamt fünf Springbrunnen krachte jeweils ein Wasserstrahl auf die Oberfläche. Der Lärm war ohrenbetäubend, aber es war die perfekte Stelle, um das Gebäude gegenüber zu beobachten.
    Cameron richtete sich auf, als eine junge Frau durch die Drehtür gestolpert kam. Er verglich sie mit der Beschreibung dieser Martinez. Eins fünfundsechzig, schlank, dunkle Locken. Gesicht irgendwie herzförmig. Sie hatte eine schwarze Tasche mit einem silbernen Logo in der Hand. Sie war es, ganz bestimmt. Sie erinnerte ihn an die spanische Bedienung, die er letztes Jahr in Madrid gehabt hatte. Er spürte, wie er einen Ständer bekam.
    Cameron hängte sich an sie. Es war fünf Uhr, Freitagnachmittag, die Stadt war voller Menschen. Er starrte sie an, ohne zu blinzeln, fixierte sie.
    Er hatte seine Anweisungen telefonisch erhalten, seine Eingeweide hatten sich zusammengezogen, als er der vertrauten Stimme lauschte. Einer Stimme, von der er schon viele Befehle entgegengenommen hatte. Er redete sich ein, er würde es wegen des Geldes machen, aber er wusste, es war mehr. Das Blut war durch seinen Körper gerauscht, als er der Stimme am Telefon zugehört und sich auf die Jagd gefreut hatte.
    Die junge Frau bewegte sich, als würde sie Autoskooter fahren, rammte andere Fußgänger, aber ihn schien sie nicht zu bemerken. Sie verließ das IFSC -Gelände und bog in die Straße ein. Der Fußgängerstrom wurde dichter, er pflügte durch die Menge und verkürzte den Abstand zu ihr.
    »Soll ich es wie beim letzten Mal machen?«, hatte er am Telefon gefragt. Cameron genoss die Erinnerung ans letzte Mal; quietschende Bremsen, der Geruch nach verbranntem Gummi, das schrille Knirschen verbogenen Metalls und zertrümmerter Knochen.
    Die Frau wurde schneller, er beschleunigte ebenfalls seine Schritte, um mit ihr mitzuhalten. Die erste Chance würde sich an der verkehrsreichen Kreuzung mit der Skulptur der Ewigen Flamme ergeben, an der die Autos mit Höchstgeschwindigkeit um das Zollgebäude brausten, ohne auf Fußgänger zu achten. Bis dahin waren es keine zwanzig Meter mehr. Sie marschierte direkt darauf zu.
    Doch plötzlich blieb sie stehen und fuhr herum. Sie starrte ihn direkt an und kam auf ihn zu. Was zum Teufel trieb sie? Sie konnte ihn unmöglich gesehen haben. Er ging weiter.
    Sie war unmittelbar vor ihm. Ihre Brüste streiften gegen seinen Arm, er spürte ihre Wärme.
    »Entschuldigung«, sagte sie, ohne aufzublicken, und rauschte an ihm vorbei.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während er ihr hinterhersah.
    Cameron wartete, bis sie zehn Meter vor ihm war, dann folgte er ihr erneut. Sie ging zum Fluss zurück und über die Brücke. Er ihr hinterher, als sie nach links zur gepflasterten Uferpromenade abbog. Er roch den verrottenden Seetang, der wie ölige Haarsträhnen an den Flussmauern hing.
    Die Frau bog in eine schmale Straße ein, die von winzigen Cottages und rußgeschwärzten Apartmentblocks gesäumt wurde. Cameron ließ sich zurückfallen. Hier waren weniger Fußgänger, weniger Möglichkeiten, um sich zu verbergen. Er hielt den Abstand, bis er Verkehrslärm hörte, ein willkommenes Geräusch. Sie hatten die Kreuzung mit der Pearse Street erreicht, auf der die Autos in das Stadtzentrum donnerten.
    Die Frau schob sich in die Fußgängertrauben auf dem Gehsteig. Er heftete sich ihr an die Fersen.
    Eine ältere Frau in einem Regenmantel ging schwankend vor ihm her. Sie trug eine Plastiktüte voller alter Tennisschuhe und stank wie ein ganzes Urinal. Er stieß sie mit dem Ellbogen aus dem Weg und drängelte sich hinter der Frau in Position. Er konnte jetzt das Logo auf ihrer Tasche erkennen. »DefCon« war dort silberfarben eingraviert, wobei der Buchstabe »O« einen schwarzen Totenkopf mit überkreuzten Knochen

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