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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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Vorstandsvorsitzenden von Merrion & Bernstein, der Investmentgesellschaft, bei der Leon arbeitete, zum Abendessen eingeladen.
    »Ja, gleich.« Er nahm ihr den braunen Umschlag ab und riss ihn auf. Drinnen lag ein offiziell aussehendes Dokument, an das Deckblatt war eine Notiz geheftet.
    »Wie sehe ich aus?« Mauras Stimme klang verführerisch wie Honig, während sie sich um die eigene Achse drehte und das silberfarbene mehrlagige Kleid um ihre braungebrannten Beine wirbelte. Leon beachtete sie nicht und las die Notiz.
    Maura wurde unruhig. »Leon?«
    »Geh schon mal runter«, sagte er, ohne aufzublicken. »Ich komm gleich nach.«
    Sie seufzte. »Richard möchte dir noch gute Nacht sagen, bevor wir gehen.«
    Leon schüttelte den Kopf. »Sag ihm, ich hab keine Zeit.«
    Maura starrte ihn einen Augenblick lang reglos an. Dann drehte sie sich um und verließ das Zimmer. Leon las erneut die Notiz. Sie war kurz und prägnant.
    Kaufen Sie Serbio-Aktien. TelTech-Angebot ist angenommen, wird nächste Woche offiziell bekanntgegeben. Gezeichnet: Der Prophet.
    Leon überflog das Dokument, aber er musste nur die ersten Absätze lesen, um zu wissen, was er in Händen hielt. Den streng vertraulichen Plan für ein feindliches Übernahmeangebot. Er spürte den Reiz des Illegalen und kam sich wie ein Teenager mit seinem ersten Pornoheft vor.
    Er blätterte es durch und besah sich die Details. Hinter der feindlichen Übernahme stand ein Unternehmen namens TelTech Internet Solutions. Leon zog die Augenbrauen hoch. Er kannte es. Wer hatte von ihm noch nicht gehört? Das in Dublin ansässige Software-Unternehmen war einige Monate zuvor an der NASDAQ gelistet worden, wobei die Gründer innerhalb von wenigen Stunden ein Vermögen eingestrichen hatten.
    Ziel der Übernahme war die amerikanische Firma Serbio Software, die seit Jahren auf dem Markt war, aber leider das Pech hatte, im selben E-Commerce-Bereich tätig zu sein wie TelTech. Leon besah sich die finanziellen Einzelheiten des Deals und stieß einen leisen Pfiff aus. Die TelTech-Jungs hatten mehr Kohle als Gott. Was hatte das Wort »Internet« nur an sich, um solche verrückten Transaktionen zu rechtfertigen? Er kannte noch Zeiten, als Software-Start-ups nur aus ein paar Tech-Nerds bestanden hatten, die unbedingt mal eine Dusche gebraucht hätten. Jetzt waren sie der Brutplatz für Multimillionäre. Dass keiner von ihnen bislang auch nur einen Cent Gewinn machte, schien keine Rolle mehr zu spielen.
    Leon legte das Dokument auf seinen Schreibtisch, als könnte es jeden Moment explodieren. Wer zum Teufel war dieser Prophet, der Zugang zu so vertraulichen Papieren hatte? Und warum hatte er es ihm geschickt?
    Leon sah nach, welche Investmentbank das Angebot betreute, und hoffte bei Gott, dass es nicht seine eigene war. Der Besitz von Informationen, die von Merrion & Bernstein durchgesickert waren, konnte ihn geradewegs in die Scheiße reiten. Aber er musste sich keine Sorgen machen. Das Angebot war von JX Warner vorbereitet worden. Er hatte für sie einige Jahre zuvor gearbeitet und war nach drei Monaten gefeuert worden, nachdem seine ethischen Grundsätze bei ihnen wenig Anklang gefunden hatten.
    Leon drehte sich seinem PC zu und überprüfte den Kurs der Serbio-Aktie an der NASDAQ . Knapp unter acht Dollar, niedrig genug, um zum Opfer einer Übernahme zu werden. Er las erneut die Notiz. Der Prophet, wer immer er sein mochte, erwartete anscheinend, dass der Kurs nach oben schoss, wenn das Übernahmeangebot offiziell veröffentlicht wurde. Falls es veröffentlicht wurde.
    Leon klopfte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. Jeder, der jetzt Serbio-Aktien kaufte, bevor der Kurs hochschnellte, würde nachher fett abkassieren. Die Vorstellung gefiel ihm wegen ihrer Einfachheit. Wieder nahm er das Dokument zur Hand und betrachtete sich die Zahlen. Dann warf er es auf den Tisch. Das Risiko war zu groß. Seine persönlichen Trading-Aktivitäten wurden von der Compliance-Abteilung von Merrion & Bernstein streng überwacht. Insidergeschäfte gehörten zu den berufsbedingten Gefahren, die Investmentbanken auf jeden Fall zu vermeiden suchten.
    Er mahlte mit den Zähnen und schloss das Dokument weg. Er versuchte es zu vergessen, aber in der darauffolgenden Woche suchte er jeden Tag in der Finanzpresse nach irgendwelchen Hinweisen auf die Übernahme. Nichts. Nach zwei Wochen kam er zu dem Schluss, dass alles nur ein sorgfältig ausgearbeiteter Scherz gewesen sein musste. Eine seltsame Mischung aus

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