Passwort: Henrietta
wird wieder gut.«
»Können wir später darüber reden?«
Er atmete tief durch. »Natürlich. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht aufhalten. Ich melde mich diese Woche noch mal.«
»Sagen wir lieber, nach den Prüfungen.«
»Oh.« Mein Gott, noch volle zwei Monate. »Gut. Wenn du meinst, dass es besser so ist. Grüß Richard von mir.«
Aber sie hatte bereits aufgelegt.
Leon stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf sinken. Tränen brannten ihm in den Augen. Er schüttelte den Kopf. Jedes Mal, wenn er mit ihr redete, endete es so. Kein Wunder, dass er spielte, sie trieb ihn doch dazu. Besser, den Kick beim Poker zu spüren als den Schmerz über sein Versagen mit seinem Sohn. Er hob den Kopf und sah sich im verwahrlosten Zimmer um, dessen Möbel vom Sperrmüll stammten. Er könnte Richard nie hierher mitbringen.
Sein Blick blieb am weißen Umschlag hängen. Er ballte die Fäuste und ging hinüber zum Sofa, fuhr sich mit Zeigefinger und Daumen über den Mund, als wollte er eine Entscheidung treffen, und wusste, dass die Entscheidung längst gefallen war. Er nahm den Umschlag zur Hand und öffnete ihn.
Er enthielt zwei blassblaue Blätter. Leon starrte sie an, dann verstand er. Es war der Beweis des Propheten. Das Adrenalin schoss durch ihn wie eine brennende Zündschnur. Das Mädchen hatte also wirklich das Geld. Na, nicht mehr lange. Warte, bis er Ralphy-Boy davon erzählte.
Aber erst musste er ein anderes Telefonat führen. Wieder griff er zum Hörer und wählte die mittlerweile vertraute Nummer.
Nach dem zweiten Klingeln wurde abgenommen. »Mr. Ritch, ich wollte Sie gerade anrufen.«
»Was ist los? Wo ist das Mädchen jetzt?« Etwas an diesem Arsch machte ihm Gänsehaut, aber im Moment hatte er keine andere Wahl.
»Wieder in ihrer Wohnung.«
»Hören Sie, wir müssen in die Gänge kommen. Es gibt hier einige neue Entwicklungen.«
»Ja, hier gehen auch komische Sachen ab.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, egal, was Sie vorhaben, machen Sie es schnell.« Eine Pause. »Wir sind nicht die Einzigen, die hinter ihr her sind.«
[home]
16
H arry saß über eine Tasse Tee gebeugt und dachte über optische Täuschungen nach. Jetzt siehst du mich, jetzt siehst du mich nicht.
Das Bild des Labyrinths trat ihr vor Augen, und ihr zog es den Brustkorb zusammen. Sie schob den Tee von sich und eilte durch den Flur, um die Wohnungstür zu überprüfen. Sie war noch immer abgesperrt. Dann streifte sie durch die übrigen Zimmer, rüttelte an den Fenstern, lauschte auf ungewöhnliche Geräusche. Es war der vierte Patrouillengang an diesem Morgen.
Dillon hatte sie am Abend zuvor in ihre Wohnung zurückgefahren und bei ihr ausgeharrt, bis sie auf der Couch eingeschlafen war. Als sie aufwachte, war die Decke bis über ihre Schultern gezogen, sonst deutete alles darauf hin, dass er auf dem Boden genächtigt hatte. Er war bereits wach und auf dem Weg ins Büro, kauerte neben ihr, strich ihr durchs Haar und befahl ihr, sich einige Tage freizunehmen.
Jetzt sah sie sich in der leeren Wohnung um. Sie fröstelte. Die letzten Stunden hatte sie mit Putzen und Aufräumen verbracht, trotzdem fühlte sie sich nicht wie zu Hause.
Dillon hatte, kurz nachdem sie aus dem Labyrinth gerannt waren, von seinem Wagen aus die Polizei gerufen, aber bis sie eintraf, war der Eindringling längst verschwunden. Die einzige Spur, die die Polizei gefunden hatte, war ein verrostetes Tor mit verbogenen Angeln.
Harry griff nach dem Riegel am Wohnzimmerfenster, dann ballte sie die Faust. Verdammt noch mal, Schluss mit diesen neurotischen Ritualen. Sie kehrte in die Küche zurück und machte sich Kaffee, stark genug, damit ihre Gehirnzellen in Schwung kamen, ging in der Küche auf und ab und trank das schwarze Gebräu. Ihr geschwollenes Knie fühlte sich besser an, ihr Körper weniger kraftlos. Das Bedürfnis, in die Gänge zu kommen, machte sie hibbelig.
Was sie brauchte, waren Informationen. Was zum Teufel war mit dem Sorohan-Deal geschehen? Wer waren die anderen Ring-Mitglieder? Wie hatte ihr Vater die Sache aufgezogen? Wenn sie verstand, wie ihr Vater seine Insidergeschäfte abgewickelt hatte, könnte sie vielleicht herausfinden, woher die zwölf Millionen Euro stammten. Und wer verdammt noch mal hinter ihnen her war.
Und was optische Täuschungen anging, so vertraute sie eher den Naturwissenschaften und der Technik, nicht irgendwelchen Spiegeln und Nebeln. Die zwölf Millionen waren keine Illusion. Sie hatte
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