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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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voll. Sie steckte die Lasche rein und betrachtete das Ergebnis. Das Paket sah schwer genug aus, um als wichtig durchzugehen. Zufrieden wühlte sie im Handschuhfach nach ihrem Schraubenzieher, nahm ihre Tasche, schaltete – nur für den Fall – ihr Handy stumm und stieg aus.
    Die bleigrauen, regenschweren Wolken machten den Himmel dunkler als sonst. Von der South Circular war das Rauschen des wenigen Verkehrs zu hören, die St. Mary’s Road hingegen wirkte öd und leer. Alles, was fehlte, waren die im Wind wirbelnden Sträucher, wie man sie aus Western kannte.
    Harry knöpfte sich die Lederjacke zu, ging zum Motorrad und sah sich verstohlen um. Sie klemmte den Schraubenzieher unter den Deckel des Gepäckkoffers und hebelte ihn hoch. Das leichte Plastik bot wenig Widerstand, nach einigen harten Stößen war der Koffer offen. Mit einer stummen Entschuldigung gegenüber dem Motorradfahrer nahm sie den Helm heraus. Darunter lagen steife, nach Öl und Leder riechende Motorradhandschuhe, die ihr fast bis zum Ellbogen reichten, als sie sie anzog. Sie klemmte sich den Helm unter den Arm, schlenderte über die Straße und stieg die Stufen zu Nummer 13 hoch.
    Das Klingelbrett war von eins bis vier durchnumeriert, Namensschilder gab es keine. Sie musterte die Fassade. Alter und Abgase hatten die roten viktorianischen Backsteine zu einem schmutzigen Hellrot ausgewaschen, die Dachrinnen bröckelten stellenweise. Sie holte tief Luft und zog sich den Helm über den Kopf. Er roch streng, wie ein altes Geschirrhandtuch, und ihr Kopf juckte. Sie drückte auf die Klingel für das Apartment 1, was vermutlich im Keller liegen durfte. Jemand würde ziemlich genervt sein, wenn sie ihn zwang, sich hier hochzuschleppen.
    Sie wartete einen Augenblick, lauschte auf ihre eigenen Atemgeräusche, die durch den Helm noch verstärkt wurden.
    Die Tür ging auf, und ein älterer Mann spähte heraus. Er sah aus, als wäre er so kurzsichtig wie Mr. Magoo ohne seine Brille.
    »Ja«, sagte er.
    Harry schlug sein konzentrierter Bieratem ins Gesicht; sie war versucht, das Visier herunterzuklappen. Stattdessen hielt sie den Umschlag hoch.
    »Kurierlieferung für Apartment 4.« Ihre Stimme klang selbst in ihren Ohren viel zu laut.
    Der Alte blinzelte sie nur an, bei jedem Atemzug pfiff seine Nase. Harry wollte ihr Sprüchlein bereits wiederholen, als er sich plötzlich umdrehte und von der Tür wegschlurfte. Sie zögerte, dann folgte sie ihm ins Haus.
    Der Flur war schmal und schwach beleuchtet. Das fahle Lampenlicht verlieh allem einen matten, nikotingelben Schimmer. Sie schloss die Tür hinter sich, erst dann fiel ihr ein leises, gedämpftes Ticken auf, das ihr irgendwie bekannt vorkam, sie aber nicht einordnen konnte.
    Sie trat auf den schlurfenden Alten zu, der sie mit einer unwirschen Handbewegung wegscheuchte.
    »Oben«, sagte er, ohne sie anzusehen. Er verschwand in der Tür am Ende des Flurs.
    Harry zuckte mit den Schultern. Sie stand unten an der Treppe und reckte den Kopf, um nach oben in die Dunkelheit zu spähen. Zwei Treppenabsätze waren zu erkennen, die zum ersten Stock führten. Als sie den Fuß auf die erste Stufe setzte, ging das Licht aus.
    Sie erstarrte. Die Dunkelheit war undurchdringlich, genau wie die Stille. Sogar das Ticken hatte aufgehört. Sie drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Ihr Atem beschleunigte sich, unter dem Helm brach ihr der Schweiß aus. Sie zerrte ihn vom Kopf. Dann lauschte sie. Nichts.
    Sie tastete hinter sich die Wand ab und stieß auf eine runde Plastikdose ähnlich einer alten Klingel. Sie drückte darauf, und das gelbe Licht ging wieder an. Auch das gleichmäßige Ticken hinter ihr war wieder zu hören. Sie sah zum Lichtschalter. Er war ungefähr so groß wie eine Schuhcremedose, in der Mitte saß ein Knopf, der langsam, aber gleichmäßig aus seiner Vertiefung nach oben wanderte, wobei er das tickende Geräusch von sich gab. Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und atmete tief aus. Das Licht war an einen Timer gekoppelt. Sie verzog das Gesicht über ihre eigene Schreckhaftigkeit, drückte erneut auf den Lichtschalter, um das volle Zeitintervall nutzen zu können, und stieg die Treppe hinauf. In Gedanken zählte sie mit und fragte sich, wie lange es bis zum nächsten Blackout dauern würde. Was für ein knauseriger Vermieter.
    Sie erreichte den ersten Treppenabsatz im Zwischengeschoss. Links von ihr befand sich eine offene Tür,

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