Pasta Mortale
heute noch einiges vorhatte, hatte sich
rasch umgekleidet und war auf dem Weg in die Stadt.
Als Bajazzo kurz nach 23 Uhr mit zwei Vertrauten in den
›Fünf Ulanen‹ eintraf, wurde er schon von Juri Malatschew und den vier
Repräsentanten der verschiedenen Organisationen erwartet. Der eine Vertraute
hatte eine unwahrscheinliche Ähnlichkeit mit Florian Nowotny, der andere wieder
sah mit seinen zwei Metern Körpergröße nicht nur Respekt einflößend, sondern
ganz so aus wie Werner Labuda. Ein Student, dem Bajazzo in seiner anderen
Identität in der Vergangenheit geholfen hatte und der sich nur zu gerne dafür
revanchierte. Dass er gleichzeitig auch Neffe eines prominenten
Regierungsmitgliedes war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Bajazzo und seine beiden Vertrauten waren durchgehend schwarz
gekleidet und trugen dazu noch dunkle Brillen.
Kaum hatten Nowotny und Labuda ihre Positionen bezogen und
alle anderen Herren Platz genommen, wurden sie auch schon von einem speziell
auf ihre Wünsche wartenden Kellner nach ihren Aperitifvorstellungen gefragt.
Kurz danach betrat Ivo W. Sprossen, wie vereinbart devot wie ein sizilianischer
Bittsteller, den reservierten Bereich und näherte sich respektvoll Bajazzo, um
ihm Speisenkarten in ausreichender Anzahl zu übergeben.
Bajazzo warf einen kurzen Blick in die Karte, gab ein
hoheitsvoll klingendes »Sehr schön, besten Dank, Herr Sprossen« von sich und
reichte die Karten an seine Gäste weiter.
Der Gastronom hatte Mühe, ein Lachen zu verbeißen, während er
sich vorsichtig nach rückwärts bewegend das Separee wieder verließ.
Interessiert blätterten Colonel Jack Rayn, Gregorij Mintzeff,
Monsignore Vanderkücken und Wong Fu Tse in der imposanten, in Leder gebundenen
mehrseitigen Speisenkarte. Bis auf den polyglotten Vertreter des Vatikans
schien aber keiner der Herren mit dem Gelesenen oder zumindest Angesehenen
etwas anfangen zu können. »Couldn’t you give as a little recommendation?«,
meinte der Vertreter des CID zu Juri Malatschew. »What would you order if you were an American first time in
Vienna?«
»If
you want something typical Viennese«, radebrechte der alte Russe, »I would
suggest to order Frittatensoup, then a Viennese Schnitzel with rice and this
marvellous potato salad and finally an original Apfelstrudel. You will
love it.«
»That sounds great«, anerkannte der Ami, und Mintzeff, dem
nichts Besseres einfiel, schloss sich dem an. Wong Fu Tse hatte von ›Snitzal‹
schon gehört und war neugierig, der Mann der Kirche schließlich wollte keine
Extrawürste und schloss sich der Empfehlung ebenfalls an.
Daraufhin bat Bajazzo den Patron des Hauses erneut zu sich,
erkundigte sich, ob man den ausländischen Gästen zusätzlich zu den Frittaten
nicht auch noch einen kleinen Überblick über typisch Wiener Suppeneinlagen wie
Griesnockerln, Leberknöderln und Kaiserschöberl vermitteln könne.
Natürlich konnte man das. Darüber hinaus bot Sprossen auch
an, als Hauptgang einige Varianten zum panierten Schnitzerl auffahren zu
lassen. Und als Dessert würde er sich glücklich schätzen, ein kleines Wiener
Mehlspeisenbuffet bereitstellen zu dürfen.
Als nächsten Programmpunkt hatte sich Bajazzo noch etwas ganz
Besonderes einfallen lassen. Die Idee war ihm gekommen, nachdem ihm Karl Heinz
Kracherl von seinem neuen Mitarbeiter Werner Lommel und dessen beeindruckender
Sommelierkarriere sowie deren tragischem Ende erzählt hatte. Ein Wein-Europameister,
das war doch etwas, um seine önologisch sicher nicht allzu gebildeten Gäste zu
beeindrucken. Und eventuell auch kompromissbereiter zu machen.
»Traun Sie sich das zu?«, hatte er Werner Lommel gefragt,
nachdem er ihm seinen Plan im Groben skizziert hatte. »Die Burschen haben keine
Ahnung vom Wein, denen können Sie erzählen, was Sie wollen. Sie sollen nur
trinken und beim Verkosten möglichst wenig ausspucken.«
Klar, dass sich der Sommelier ohne Geruchssinn das zutraute.
Vor allem, nachdem er gehört hatte, wie viel dem Bekannten seines Chefs die
kleine Sommeliereinlage wert war.
»Could we«, der Amerikaner wollte, wie das so seine Art war,
jetzt langsam zur Sache kommen, »could we use the time waiting for dinner, to
talk about business?«, fragte er unbefangen.
»Never bevor coffee«, mischte sich jetzt Juri ein, »da kennt
Bajazzo kein Pardon. Essen ist für ihn eine viel zu wichtige Sache, als dass
man sie mit Business Talk stören
Weitere Kostenlose Bücher