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Pasta Mortale

Pasta Mortale

Titel: Pasta Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Bundeskriminalamt und
ein alter Freund Palinskis.
    »Sag, was ist eigentlich los?«, rief Mario dem Ministerialrat
nach, der heute einen ausgesprochen gehetzten Eindruck machte.
    »Keine Ahnung«, murmelte Schneckenburger, »aber er ist seit
einigen Tagen so eigenartig. Hat sich haufenweise Akten von Asylbewerbern
vorlegen lassen. Gestern hat er noch 21 Aufenthaltsgenehmigungen aus
humanitären Gründen unterschrieben, das sind mehr als in den vergangenen drei
Jahren zusammen. Es ist völlig irre. Ich befürchte das Schlimmste.«
    Da der Ministerialrat schon weitergehetzt war, konnte
Palinski ihn nicht mehr fragen, was aus seiner Sicht das Schlimmste wäre. Aber
das würde sich ohnehin gleich herausstellen, denn der Minister betrat eben den
Raum.
    Fuscheé machte es kurz und bündig. »Meine Damen und Herren«,
begann er, »ich komme eben vom Herrn Bundeskanzler, dem ich aus
gesundheitlichen Gründen meinen sofortigen Rücktritt als Bundesminister
mitgeteilt habe. Sie sehen mich also bereits als Privatperson vor sich.«
    Die lapidare Nachricht hatte eingeschlagen wie eine
Bombe. Aus gesundheitlichen Gründen? Da gab es einige Mitglieder der Regierung,
die aussahen, als ob sie jetzt und sofort ein Bankl reißen könnten. Aber
Fuscheé? Der sah doch aus wie das blühende Leben. Na ja, fast, zumindest.
    Mehrere Journalisten zeigten auf, wollten Fragen stellen.
Fuscheé deutete auf eine junge Frau in der vorletzten Reihe. »Ja, bitte?«
    »Würden Sie uns mitteilen, welcher Art Ihre gesundheitlichen
Probleme sind?«
    »Ja, ich leide unter Schlafstörungen«, räumte der Exminister
ein. »Ich kann ohne Hilfe von Medikamenten nicht mehr schlafen.«
    Das war Palinski nicht neu, das hatte ihm Fuscheé schon vor
einigen Tagen eingestanden. Bewundernswert der Mann, die Konsequenz, mit der er
sich für sein zukünftiges Leben entschieden hatte.
    »Ist das alles oder haben Sie sonst noch gesundheitliche
Probleme?«, für den Kollegen in der zweiten Reihe war die Antwort offenbar
nicht erschöpfend genug gewesen.
    »Ich glaube, das ist jetzt genug«, wollte Schneckenburger
eingreifen, doch Fuscheé winkte ab. »Lassen Sie nur, lieber Ministerialrat, die
Menschen haben ein Recht darauf, alles zu wissen. Ja, da gibt es noch etwas.«
Er überlegte, suchte offenbar die richtigen Worte. »Man könnte sagen, dass ich
ein Problem mit den Augen habe.«
    »Das müssen Sie näher erklären«, hakte der hartnäckige
Kollege aus der zweiten Reihe nach. »Am bloßen Fehlen einer Brille kann’s ja
wohl nicht liegen.«
    »Da haben Sie recht«, bekräftigte der Exminister. »Um ehrlich
zu sein, ich kann am Morgen einfach mein Gesicht nicht mehr im Spiegel sehen.«
    Sekundenlang senkte sich lähmendes Schweigen über die
Anwesenden. Palinski war begeistert. Josef hatte es tatsächlich gewagt, seine
Worte vom Dienstag waren keine leeren Hülsen gewesen. Na, wenn der
Bundeskanzler davon hörte, würde er hüpfen, dass Rumpelstilzchen vor Neid
erblasste. Das war echt eine politische Bombe.
    Inzwischen hatte sich Veronika Petzler-Baum erhoben, die
Grande Dame des österreichischen Qualitätsjournalismus und politische
Kommentatorin zahlreicher in- und ausländischer Blätter. »Ich nehme an, Ihre
Aussage ist nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinne zu verstehen«, sagte
sie mit sanfter Stimme.
    Fuscheé nickte
zunächst nur. »Ich konnte die restriktive Fremdenpolitik, die wir in diesem
Land betreiben, nicht mehr länger mittragen, ohne Schaden zu nehmen«, erklärte
er dann knapp. »So musste ich mich entscheiden.« Dann stand er auf und wandte
sich zum Gehen. »Ich danke Ihnen für die meistens gute Zusammenarbeit. Alles
Gute für Sie und schönen Tag«, sagte er und verschwand einfach durch die Tür.
    Frau Petzler-Baum hatte demonstrativ zu klatschen begonnen.
Die meisten anderen ihrer Kollegen folgten diesem Beispiel, und so verließ
Fuscheé sein Ministerium beim letzten Mal begleitet von Standing Ovations. Und
mit Tränen in den Augen. Aber das konnte niemand sehen.
    Einige Schreiberlinge hatten sich allerdings
einfach so aus dem Saal geschlichen, um ihre Variante der Information möglichst
noch vor den anderen unter die Leute zu bringen. Und da blieb eben keine Zeit
für Respekt und Anerkennung. Na ja, es gab eben auch unter Journalisten solche
und solche.

     
    *

     
    Auf Franka Wallners Klingeln hin tat sich
zunächst gar nichts. Sie versuchte es noch ein, zwei Mal, immer mit

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