Pastetenlust
eine Ente .« Nach
den Erfahrungen mit meiner Datenbank, aber auch in der Literatur sind die Dinge
aber weit davon entfernt, so einfach zu sein.
Eigentlich geht mir der Fall Lettenberg langsam, aber
sicher auf die Nerven. Wenn man eine Geschichte erfindet und verschiedene
Charaktere entwickelt, dann macht das Spaß. Manchmal mehr und manchmal weniger.
Aber es nimmt einen nie so her wie die Konfrontation mit einer echten Leiche,
einem veritablen Mordopfer. Wie komme ich eigentlich dazu, mir Gedanken um
Marion Waldmeister zu machen, die ich trotz aller gegen sie sprechenden Fakten
für unschuldig halte. Oder Sorgen um den alten Lettenberg, seine kranke Frau
und die Oma. Als ob ich nicht selbst genügend Sorgen hätte.
An so einem schönen Tag sollte man eigentlich auf einer
Wiese liegen, in den Wald gehen oder auf einem See Boot fahren. Oder mit den
Kindern Monopoly spielen und Bier dazu trinken bis zum Abwinken. Obwohl ich
Bier eigentlich gar nicht mag.
Was aber werde ich tun? Ich werde mich nach dem Frühstück
wieder hinter das Steuer klemmen und nach Wien rasen. Nur, um diesen
staubtrockenen Wallner etwas Phantasie einzuhauchen und dem Herrn
Ministerialrat dabei zu helfen, dass sein Minister eine lächerliche Wette
gewinnt. Dabei bekomme ich nicht einmal die Auslagen ersetzt. Wenn ich ehrlich
bin, muss ich zugeben, dass ich ein ganz schöner Depp bin. Aber wie sagte der
Skorpion zum Frosch »Es liegt nun einmal in meiner Natur .«
Na, ganz stimmt das ja auch wieder nicht. Immerhin ist da
noch der Fall mit der Erpressung der BIGENI AG. Ich sollte viel mehr darüber
nachdenken. Schließlich könnten es ja auch einmal Tina, Harry oder Wilma sein,
die so ein vergiftetes Stück essen. An die Folgen möchte ich gar nicht denken.
Ist der Reiterhof der lustigen Witwe nicht ganz in der
Nähe? Eine verrückte Frau. Ohne ihr angeblich hundertfünfzigprozentiges Alibi
war dieses unmögliche Weib meine Verdächtige Numero Uno. Wenn aber der
Chefarzt, der diensthabende Arzt und drei Krankenschwestern Stein und Bein
schwören, dass Sophie Lettenberg die Klinik nicht nur in der fraglichen Zeit,
sondern in den letzten beiden Wochen nicht verlassen hat, dann muss man das zur
Kenntnis nehmen. Aber Nachdenken wird man ja noch darüber dürfen.
Jetzt weiß ich, was ich machen werde. Ich werde mir einmal
den Reiterhof ansehen. Da gibt es sicher eine Menge Wiese, vielleicht auch
einen Wald oder sogar einen Teich zum Bootfahren. Und gleichzeitig kann ich
mein Gewissen damit beruhigen, dass ich etwas für den Fall mache. Der Gedanke
gefällt mir. Auf zum Frühstück, das Leben ist zu kurz um es im Bett zu
verbringen.
*
Vor Inspektor Wallner lag eine Suchmeldung der
Münchner Polizei, die möglicherweise in Beziehung zum Fall Lettenberg stand.
Leonie Grabelberger, 20, wohnhaft in München, hatte die
elterliche Wohnung Montagmittag mit der Ankündigung verlassen, es „dem Kerl
jetzt einmal richtig zu zeigen.” Leonie, die sich selbst als Jürgen Lettenbergs
größten „Fan in the world” bezeichnete, war im 4. Monat. Ein schwangeres
Groupie also, das seither nicht mehr gesehen worden war.
Da die junge Frau ihren Pass und eine Reisetasche mitgenommen
hatte, vermutete die Mutter, dass sie zur Viktor-Verleihung nach Wien gereist
war. Die Meldungen über die Ereignisse um Lettenberg sowie das Fernbleiben
ihrer Tochter veranlassten sie schließlich dazu, zur Polizei zu gehen.
Zunächst hatte diese die Anzeige unter Hinweis auf die
Volljährigkeit der Vermissten nicht annehmen wollen. Als der Beamte aber gehört
hatte, a) dass Leonie schwanger war und behauptete, Jürgen Lettenberg wäre der
Vater des Kindes und b) dass der cholerische, höchst eifersüchtige Freund der
jungen Frau, ein gewisser Hermann A. 24, gedroht habe, den läufigen Hund
umzubringen und am Montagnachmittag mit seinem PKW mit rauchenden Pneus und
unbekannten Ziel abgerauscht war, hatte die Polizei begonnen, die Sache endlich
ernst zu nehmen.
Die Typologie des Lettenberg-Mordes ließ so überhaupt nicht
auf Eifersucht und Rache eines Mannes schließen. Aber Leonies Ankündigung, es
dem Kerl richtig zeigen zu wollen, konnte natürlich v erschiedenes bedeuten. Inklusive finaler Gewaltanwendung.
Also musste auch Wallner die Sache ernst nehmen und in seine Überlegungen
einbeziehen.
Gestern Abend war der Inspektor nochmals bei Marion
Waldmeister gewesen. Offiziell, um noch die eine oder andere
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