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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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kluge, alte Lucius Brown.« Das Phantom war mit seiner Geisel auf der untersten Stufe angekommen.
    »Ich sehe, du bist bewaffnet, kleiner Caleb, und noch dazu ganz authentisch, mit einem wunderbaren Remington Revolver. Wo magst du den wohl herhaben? Aber das spielt keine Rolle mehr, weil die Zeit gekommen ist, ihn wegzuwerfen, mach schon. Und du, Eve, du wirst nicht mal mit der Wimper zucken, sonst werde ich diese Kehle hier aufschlitzen – was mich zugegebenermaßen ein wenig traurig machen würde, gleichzeitig aber würde es mich erfreuen. Stellt euch diesen heißen Strahl von Familienblut vor, der über uns kommen wird, wir werden uns reinwaschen im Blut des Lammes. Die Waffe, Mr Brown, die Waffe.«
    Caleb ließ den Revolver fallen, der über den gekachelten Boden schlitterte.
    Das trübe Licht spiegelte sich in der Klinge an Lucius’ Hals.
    »Bist du in Ordnung, Dad?«, fragte Caleb.
    Lucius sah zu Boden.
    »Tritt einen Schritt vor, kleiner Caleb. Damit ich dich gut sehen kann«, sagte das Phantom.
    »Ich entdecke Ähnlichkeiten zwischen uns, ist das nicht schön? Wir sind eine kleine Familie und endlich alle beisammen. Ich bin sicher, du hast keine Ahnung, wovon ich rede. Denn siehst du, Caleb, dein schlauer Vater hier«, das Phantom hob Lucius’ Kopf an, sodass man seine weiße Kehle sehen konnte, »unser schlauer Vater hat mich erschaffen und die wunderschöne Eve ebenso; er hat uns füreinander geschaffen. Stimmt’s? Nick mit dem Kopf, Daddy. Sag ihm die Wahrheit.«
    Lucius nickte.
    Für Caleb ergab das alles keinen Sinn, ihm schwirrte der Kopf. Sein Vater hatte eine zweite Familie, mit Kindern; offenbar war Eve seine Schwester und diese andere Gestalt, das Phantom, war sein Bruder? Was hatte das zu bedeuten? Sein Vater hatte so etwas nie erwähnt, nicht einmal nach dem Tod von Calebs Mutter. »Du bist das Phantom?« war alles, was Caleb hervorbringen konnte.
    Das Phantom ließ seine freie Hand emporschnellen und plötzlich war sein Gesicht wieder hinter der schwarzen Maske verborgen.
    »Jetzt ja«, entgegnete er.
    Eve sagte: »Du sprichst von Familie, Adam. Nun, ich habe bereits eine Familie. Meine Familie sind Jago, der Harlekin, der mich gerettet hat, und Rose, die bärtige Dame, und BibleMac. Den Mann, den du da bedrohst, kenne ich überhaupt nicht. Ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen, als ich ihm eine Tasse Assamtee gemacht habe. Irgendwie scheinst du eine seltsame Macht über mich zu haben, aber du bist nicht meine Familie. Lass den armen Mann gehen.«
    »Du gehörst mir, Eve, mir allein. Du hast meine Hände um deinen Hals gelegt. Du willst, dass ich dich umbringe, damit sich der Kreis schließt. Es steckt in uns, es ist unsere Bestimmung.«
    Eve fasste einen Entschluss. Sie machte einen plötzlichen Satz nach vorn, ein Wirbel aus schwarzem Samt, und zog die Klinge von Lucius Hals weg. Sie warf sie mit solcher Wucht zu Boden, dass sie klirrte. Caleb ließ sich fallen und rollte sich über den Boden, bis er den Revolver zu fassen bekam. Mit vor Angst fest zugekniffenen Augen setzte er sich auf und hielt die Waffe in die Richtung, in der er das Phantom vermutete … Aber als er die Augen aufschlug, war das Phantom verschwunden – und Lucius ebenfalls.
    »Sie sind zur Straße hochgegangen«, sagte Eve hastig. »Komm, Caleb. Wir werden unseren Vater retten. Unseren Vater.« Sie lächelte ihn offen an und griff nach seiner Hand.
    Da war es wieder, »unser Vater«, dachte er. Er sah Eve an, ihre Augen waren wie die seinen – konnte sie wirklich seine Schwester sein – und das Phantom sein Bruder? Sein Vater hatte genickt, hatte es bestätigt, aber schließlich wurde er mit einem Messer an der Kehle bedroht. Caleb nahm Eves Hand, umklammerte sie fest, und gemeinsam rannten sie die Treppe hinauf.

53
     
    Oben auf der Straße sahen Eve und Caleb gerade noch, wie Lucius von dem Phantom durch die Menschenmenge gezerrt wurde. Sie folgten den beiden, ein Paar verfolgte das andere, sie versteckten sich in Torbogen, blieben manchmal stehen und bewegten sich dann wieder vorwärts. Das Phantom eilte eine steile Straße hinauf, schlug plötzlich einen Haken und Eve sah, wie die beiden aneinandergedrängten Gestalten auf ein hoch aufragendes Gebäude zustolperten, das von Plakatwänden umstellt war, auf denen eine »Große Abriss-Aktion« angekündigt wurde. Dort, wo das Phantom stehen geblieben war, war das Gebäude weiträumig abgesperrt. Eve zog Caleb zurück in den Schatten. Sie beobachteten, wie das

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