Pastworld
er roch den typischen Geruch nach Eisen – das Eisen aus Blutlachen, das Eisen der Seele. Die Leiche war einfach an diesem Ort der Mördertour deponiert worden – ein Akt der Provokation, der mehr als deutlich machte, zu welchen Taten das Phantom in der Lage war und was man ihm, wenn er es wollte, durchgehen ließ. Die Gaffer drängelten sich nun um Catchpole und den Führer, um alles ganz aus der Nähe betrachten zu können. Der Führer hob die Hand und bedeutete der Menge, sich wieder an die Mauer zu stellen.
»Bitte, meine Damen und Herren«, sagte der Führer, »achten Sie auf die Unversehrtheit des Tatortes und trampeln Sie nicht auf Beweismitteln herum, die dadurch unbrauchbar werden. Bitte halten Sie Abstand.«
»Wieso darf der da so nah ran?«, fragte einer der Gaffer und zeigte auf Catchpole.
»Weil er am meisten bezahlt hat«, sagte der Führer gleichmütig.
Catchpole betrachtete den sauberen Schnitt durch die Kehle des blinden Mannes. Ihm wurde plötzlich übel und trotz der Kälte sehr heiß. Der Anblick einer derartig brutalen Gewalttat war für jemanden aus der Außenwelt ein seltener Anblick. Dies hier war ein sehr toter, sehr bedauernswerter Mensch, genauso real und tot wie der Kopf auf der Ruine von Tower 42. Catchpoles ganzes Auftreten veränderte sich, er wurde zu einem modernen, professionell arbeitenden Kriminalbeamten. Er schob den Führer beiseite, zog seine Ausweiskarte hervor und hielt sie ihm unter die Nase.
»Schaffen Sie die Leute raus«, sagte Catchpole leise. »Ich versiegle diesen Tatort jetzt, bringen Sie sie woanders hin, los, machen Sie schon.« Der Touristenführer flüsterte: »Scheißbulle«, und sagte dann laut: »Meine Damen und Herren, ich fürchte, diese Besichtigung muss auf der Stelle abgebrochen werden.«
Er scheuchte die verstörten Gaffer zurück durch die düstere, laute Kneipe. Aufgebracht boten einige an, mehr zu bezahlen, oder verlangten, zur Leiche zurückkehren zu dürfen. Mit dem Hinweis auf ein »bedauernswertes offizielles Polizeiinteresse« brachte er sie zum Schweigen, worauf sie sich murrend unter die Menge der Passanten mischten.
Catchpole legte die Decke wieder über die Leiche und ging durch die miefige Kneipe nach draußen. Dort stieß er auf einen Bobby auf Routinepatrouille. Er zeigte ihm seinen Ausweis und der Bobby salutierte.
»Holen Sie einen Krankenwagen«, sagte Catchpole, »und das bitte unverzüglich.« Der Schutzmann eilte davon.
Catchpole musste nicht lange warten. Innerhalb von ein paar Minuten erschien eine von Pferden gezogene Ambulanz. Zwei uniformierte Männer kletterten heraus und gingen mit einer Bahre zu der Kneipe in der Commercial Street hinüber, vor der sich rasch eine Menschenmenge versammelte. Weitere Polizisten erschienen, trieben die Leute aus der Kneipe und riegelten sie ab. Ein Muffinverkäufer drängte sich durch die Reihe der Polizisten.
Catchpole wandte sich von den Gaffern ab. Was er zu sehen bekommen hatte, war wirklich abstoßend gewesen, ein Anblick, den er niemandem wünschte. Die Vorstellung, dass genau das einige Gaffer erst zu einem Besuch in Pastworld motivierte, ekelte ihn an. Er versuchte, seinen aufgewühlten Magen zu ignorieren. Die Polizisten kamen mit der zugedeckten Leiche auf der Bahre aus der Kneipe heraus und bahnten sich einen Weg durch die Menge der Gaffer. Catchpole sah auf die leere Stelle, an der ein paar Kinder sich eine Schneeballschlacht geliefert hatten. Doch jetzt sahen sie alle der Ambulanz hinterher, die durch das Schneegestöber über den Platz fuhr.
Catchpole warf einen Blick über die Menschenmenge. Die widerwärtigen Gaffer waren verschwunden. Alle anderen waren in Bewegung, wuselten umher und gingen ihren Geschäften nach. Alle außer einer: Eine Frau stand bewegungslos auf dem Gehsteig. Alle und alles wogte an ihr vorbei, doch sie stand ganz still da wie eine Statue. Sie schien auf der Straße nach etwas Ausschau zu halten oder auf jemanden zu warten. Catchpole wurde neugierig und ging zu ihr hinüber.
»Das erinnert mich an meine eigene Kindheit«, sagte er mit seiner freundlichsten Stimme und zeigte auf die Jungen, die ihre Schneeballschlacht wieder aufgenommen hatten. »Aber da gab es nie so viel Schnee und so sauber war er auch nicht.«
Mit einem abwesenden Ausdruck im Gesicht sah die Frau ihn an. Sie trug einen großen zerdrückten schwarzen Filzhut und einen gefleckten Pelzkragen um den Hals. Plötzlich bewegte sich das Fell, ein pelziges Bein kam zum Vorschein und
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