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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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Mädchen, überaus altmodisch, höflich und seiner Meinung nach äußerst gutherzig. Er hatte durchaus etwas gespürt, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Ihre Augen sahen genauso aus wie seine und ihre Schönheit hatte ihn berührt. Sie erinnerte ihn an eine dieser perfekten viktorianischen Porzellanpuppen aus einem Museum oder einem Antiquitätengeschäft.
    Jago hatte gesagt, sie sollten lieber den nächtlichen Regen abwarten und sich erst kurz vor der Morgendämmerung auf die Hauptstraße begeben. Wenn kein Verkehr herrschte, wäre die Chance, unentdeckt zu bleiben, höher. Caleb lauschte dem Regen jenseits der Tunnelausfahrt – ein Geräusch, das er lange nicht mehr gehört hatte – und nickte schließlich ein.
    Bevor der Morgen graute, war Jago auf den Beinen und kochte Tee. Am Ende des Tunnels war ein milchiges Licht zu sehen. Er sagte: »Mir ist gerade eingefallen, Eve, dass dies der erste natürliche Sonnenaufgang deines Lebens ist.«
    Rasch richtete Eve sich auf und stand in ihrem zarten weißen Kleid da, das sich nicht sonderlich vom dem unterschied, mit dem sie im Zirkus über das Seil tanzte.
    »Stimmt«, sagte sie. »Das will ich sehen. Kommt mit!« Und sie rannte auf den Tunnelausgang zu.
    »Lauf hinter ihr her«, sagte Jago zu Caleb.
    »Sie ist verrückt«, sagte Caleb.
    »Ich weiß«, antwortete Jago.
    Caleb rannte durch den düsteren Versorgungstunnel hinter ihr her. Schließlich fand er sie, wie sie mitten auf einer ehemaligen Autobahn stand, vierspurig und vollkommen leer. Der glatte Asphalt war nass und glänzte. Über ihnen wurde der Himmel heller. Eve schaute nach oben und sah ein leuchtendes Blau, durchsetzt von weißen Wölkchen. Ein Windstoß zerzauste ihr die Haare.
    »Kein Kopfsteinpflaster, Caleb«, sagte sie und schaute immer noch nach oben. »Wieso nicht?«
    »Hier draußen sind die Straßen glatt. Kopf Steinpflaster gibt es nur noch in Pastworld.«
    Sie standen Seite an Seite und sahen in den Himmel hinauf, der mit jeder Sekunde heller wurde.
    »Wie wunderschön«, sagte Eve.
    Caleb sagte: »Schau mal da hin.« Er drehte sie in Richtung Osten, als ein neuerlicher Windstoß über sie hinwegfegte. Und dann sah sie es. Über dem mit struppigem Buschwerk bewachsenen Flachland färbte sich der Himmel rosa. Durch das Rosa brach von unten etwas leuchtend Goldenes hervor, ein Feuer, das die Unterseiten der Wolken beschien und sie vergoldete.
    »Die Sonne geht auf«, sagte Caleb.
    Eve breitete weit die Arme aus, machte ein paar Schritte von Caleb weg, drehte sich im Kreis auf der Stelle und ihr Kleid wirbelte ihr um die Beine.
    »Mein erster Sonnenaufgang«, sagte Eve und lächelte.
    »Sieh dir mein Mädchen an«, sagte Jago, der mit Pelaw am Zügel und dem Wagen aus dem Tunnel kam, »sieh dir an, wie sie sich bewegt. Es gibt kein besseres Mädchen als sie.«
    Nach etwa einer halben Stunde Fahrt verließen sie die schnurgerade, nasse, leere Straße und bogen in eine holprige, nicht asphaltierte Seitenstraße ein, die auf einen grünen Horizont zuführte. Kaum befanden sie sich unter den Zweigen der ersten Bäume, waren sie wie von der Außenwelt abgeschnitten. Jago brachte das Pferd mit einem Schnalzen zum Stehen und sie saßen unter einem Baldachin aus Blättern und Zweigen.
    »Oh, es riecht so wunderbar und es sieht so wunderbar aus und es ist so wunderbar und ich glaube, ich platze gleich!«, sagte Eve.
    Eve sprang vom Wagen, zog Caleb mit sich, und zusammen rannten sie unter dem Dach aus Baumkronen über das nasse Gras in den dichten Wald hinein. Der Wind fuhr ihr durchs Haar. Sie hörte das Rascheln von Millionen von Blättern, die ihr beim Laufen entgegenwehten. Sie rannten immer tiefer in den Wald hinein, bis sie Jago und den Wagen nicht mehr sehen konnten. Dann blieben sie atemlos stehen und lachten.

Jago kam hinterhergerannt und von ihrer guten Laune angesteckt, sprang er auf einen Baum, setzte sich auf einen Ast und schüttelte orangefarbene Blätter auf sie herunter. Dann kam Pelaw mit dem Wagen angetrottet und blieb ein Stück weit entfernt stehen. Jago sprang vom Baum, spannte das Pferd aus und fing an, den Wagen zu entladen. Eve half ihm, aber Caleb blieb an Ort und Stelle stehen.
    Jago sagte zu ihr: »Komisch, dass du gerade zu dieser Stelle im Wald gelaufen bist. Es ist genau die Stelle, wo ich immer hinfahre. Deshalb konnte Pelaw auch von ganz allein den Wagen hinter uns herbringen. Es sind genügend große Bäume da, um gut trainieren zu können, und gleich da drüben

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