Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
in einem Ferienhotel in Andalusien waren den europäischen Boulevardblättern wohl eine dicke Schlagzeile wert. Capitán Morales hatte bereits mit dem Innenminister telefoniert und anscheinend – so die Gerüchte – reiste ein Team aus der Hauptstadt an, um sie bei den Ermittlungen zu unterstützen. Sogar das Wort »Profiler« war schon gefallen. Sie standen gehörig unter Druck und mussten sich vorwerfen lassen, in den bisherigen Fällen nicht konsequent genug ermittelt zu haben. Ein Vorwurf, den Paco allerdings nicht für gerechtfertigt hielt, weil es wegen fehlender Spuren keinen Raum für erfolgreiche Ermittlungen gegeben hatte. Vielleicht aber würde Antonio nach den Verdächtigungen, denen er zu Lebzeiten ausgesetzt war, nun als Toter wenigstens dazu beitragen, die Mordserie aufzuklären. Und vielleicht fanden sie hier ja endlich die Spuren, die zu seinem Mörder führten, der ja identisch mit dem von Xaver, Inmaculada und Elena sein musste. Und wenn sie den Kerl dann erst mal schnappten, wäre es interessant zu erfahren, warum und vor allem wie er den ersten beiden Opfern die Medikamente verabreicht hatte, denn darüber zerbrach sich Paco seit nunmehr drei Wochen den Kopf.
Bis jetzt hatten die Befragungen ergeben, dass Antonio um Mitternacht noch lebend gesehen worden war, so zumindest bestätigte es ein Ehepaar aus Madrid, welches die Cafeteria etwa um diese Zeit verließ. Danach sah Antonio außer seinem Mörder wohl niemand mehr. Den Todeszeitpunkt schätzte Dr. Castillo nach einer ersten Temperaturmessung auf null Uhr bis zwei Uhr morgens. Paco war einer der beiden Verantwortlichen, die mit dem Hotelpersonal sprechen mussten, wobei sein Hauptaugenmerk den Angestellten galt, die zur fraglichen Zeit im Dienst waren. Paco fragte den lethargisch wirkenden Hoteldirektor, dem dazu sieben Personen einfielen: zwei Nachtwächter, der Nachtportier, ein Concierge, zwei Reinigungskräfte und der Barkeeper der Hotelbar, die um zwei Uhr morgens schloss. Aber die hätten jetzt alle dienstfrei, erklärte Carlos. Paco befahl, sie unverzüglich ins Hotel zu beordern. Dann trat er an die Rezeption und bat Joana und Maite mitzukommen, obwohl vor dem Empfang eine meterlange Schlange aufgebrachter und zorniger Gäste wartete. Maite und Joana folgten ihm in den Konferenzraum. Paco nahm seine grüne Schirmmütze ab und seufzte, als ob die Kopfbedeckung für die Last auf seinen Schultern verantwortlich wäre.
»Also, könnt ihr mir dazu was sagen? Habt ihr etwas gesehen, ist euch etwas aufgefallen?«
Joana schüttelte den Kopf und Maite zuckte mit den Schultern. Paco wandte sich an Maite: »Wann bist du heute zum Dienst erschienen?«
»Um zehn Uhr morgens.«
»Und du Joana?«
»Ebenfalls um zehn.«
»Wie lange hattet ihr gestern Schicht?«
»Bis zehn Uhr abends«, antwortete Joana.
»Und wann habt ihr Antonio zum letzten Mal gesehen?«
»Ich habe für Maite und mich gestern gegen halb sieben abends einen Kaffee geholt«, sagte Joana. Maite fügte hinzu: »Und ich hab ihn gestern Mittag das letzte Mal gesehen, da hab ich mir ein Sandwich bestellt.«
»Vom Empfang aus habt ihr doch einen guten Blick auf den Eingang zur Cafeteria, ist euch dort gestern nichts Ungewöhnliches aufgefallen, vielleicht ein Besucher, der sich verdächtig benahm, oder ein Fremder, der nichts mit dem Hotel zu tun hatte?«
Beide dachten eine Weile darüber nach und schüttelten dann den Kopf.
Paco musterte Joana. Die tapfere Joana, die wie eine Nichte für ihn war. Joana, die angeblich im Auftrag von Antonio verschleppt wurde. Aber warum? Leider konnten sie den Burschen nicht mehr dazu befragen! Aber dann war da noch die Sache mit dem Anhänger, den Joana auf Antonios Boot gefunden hatte. Bei Joana laufen einige Fäden zusammen, dachte er. Er hatte ihr noch nicht gesagt, dass Antonio für die Entführung verantwortlich war, sofern dieser Typ aus Sevilla überhaupt die Wahrheit sagte. Oder wusste Joana ohnehin davon?
»Ich muss euch das jetzt fragen. Wo wart ihr gestern Nacht?«
Joana und Maite sahen sich belustigt an.
»Du glaubst doch nicht etwa, dass wir …?«
Paco wischte mit der Hand über den Tisch. »Ich glaube gar nichts, Maite, ich habe dir eine Routinefrage gestellt und ich brauche eine Antwort für die Akten.«
Maite lächelte, griff nach Pacos Kappe und drehte sie vor sich auf dem Tisch im Kreis. »Du wirst es mir nicht glauben, Paco, aber gestern Nacht war ich im Bett!« »Allein?«, hakte er nach.
»Nein, nicht
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