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Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pata Negra: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Freundlinger
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seltsamen Anruf vor drei Tagen. Alles, was sich in den letzten beiden Jahren angestaut hatte, brach aus ihr heraus: der plötzliche Tod ihres Vaters und wie traumatisch dieser für Carmen gewesen war.
    Erst als sie eine sanfte Berührung spürte, sah sie wieder auf. Tränen verschleierten ihren Blick. Kilian hatte den Platz gewechselt, saß jetzt neben ihr und hatte ihr die Hand auf den Unterarm gelegt. Sie schniefte und wischte sich die Tränen fort.
    Jetzt, wo alles gesagt war, kam es ihr vor, als hätte jemand eine Last von ihren Schultern genommen – andererseits aber schämte sie sich. Verlegen sah sie sich auf dem Platz um, doch niemand der Gäste schien von ihrem freimütigen Bekenntnis Notiz genommen zu haben. Alle stocherten in ihren Tapas und scherzten, als sei nichts geschehen.
    »Das tut mir leid für dich«, sagte Kilian.
    Sie nickte und wich seinem Blick aus. Kilian war ein Hotelgast. Mehr nicht. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können?
    Sie entschuldigte sich bei ihm und betrat das Lokal, um sich auf der Toilette frisch zu machen. Das tut mir leid für dich .Aber was sollte man auch sonst sagen, wenn man so eine vertrackte Geschichte hörte? Joana tupfte sich mit einem Papierhandtuch die Augen trocken und kramte in ihrer Tasche nach Lippenstift und Rouge. Dann hielt sie inne. Lippenstift und Rouge? Was tat sie da gerade? Sie musste zugeben: Kilian gefiel ihr mit seiner sensiblen, schüchternen Art. Dergleichen kannte sie von ihren Landsleuten nicht. Außerdem konnte er zuhören, das hatte er gerade eben bewiesen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er ihr zulächelte – anstatt immer mit leerem Blick irgendetwas anzuglotzen. Oder wie er sich grinsend eine Strähne hinter das Ohr strich, anstatt gedankenverloren an seinen Bartstoppeln zu zupfen …
    Schwachsinn!
    Sie zog den Reißverschluss der Tasche zu und verließ die Toilette, ohne ihr Gesicht gepudert zu haben. Kilian würde genauso schnell wieder aus ihrem Leben verschwinden, wie er aufgetaucht war. Spätestens, wenn das Konsulat die Heimreise seines Bruders organisiert hatte. Ob das nun schade war oder nicht spielte keine Rolle.
    Als sie ins Freie trat, sah sie, wie Kilian versuchte, den Kellner auf sich aufmerksam zu machen. Sie musterte den Deutschen. Schon lange nicht mehr war sie mit einem Menschen so intim gewesen. Sie biss sich auf die Lippen. Sie hatte dem Fremden deutlich zu viel von sich offenbart. So ähnlich musste man sich auch nach einem missratenen One-Night-Stand fühlen, dachte sie und trat an den Tisch. »Ich muss langsam an die Arbeit.«
    Kilian nickte. »Gut, ich bring dich ins Hotel.« Er erhob sich und zahlte die Rechnung.
    Sie hatten bereits den halben Weg durch die Altstadt zur Tiefgarage am Paseo hinter sich, als Kilian ohne Ironie meinte: »Da bin ich ja besser dran als du. Ich weiß zumindest, dass mein Bruder tot ist.«
    Joana schwieg. Sie wollte nicht mehr über den Tod sprechen und wechselte das Thema. »Wie bist du eigentlich an deinen ungewöhnlichen Vornamen geraten?«
    Kilian seufzte. »Weil mein Vater nicht besonders kreativ, dafür aber umso gläubiger war …«
    Joana verlangsamte unwillkürlich ihre Schritte. Sein Vater war also auch tot. Kilian sprach von ihm in der Vergangenheit.
    »Ich bin am 8. Juli geboren«, fuhr Kilian fort, »am Namenstag des heiligen Kilian. Damit war das Thema Namensfindung für meinen Vater erledigt. Meinem Bruder erging es genauso. Er hat am dritten Dezember Geburtstag, dem Namenstag des heiligen Franz Xaver. Aber von klein auf nannten ihn alle nur Xaver. Bei Gelegenheit habe ich meinen Vater mal gefragt, was denn gewesen wäre, wenn wir an einem anderen Tag geboren worden wären – zum Beispiel am Namenstag des heiligen Mamertus, Pankratius, oder Bonifatius? Aber er hat nur mit den Achseln gezuckt.«
    Joana wich einem Bettlaken am Straßenrand aus, auf dem sich ein Haufen raubkopierter CDs stapelten.
    »Dein Vater … ist er …?«
    »Ja, er ist tot. Ebenso wie meine Mutter.«
    »Oh … das tut mir leid.«
    Die Viertelstunde bis zum Hotel sprachen sie kaum noch miteinander – außer dass Kilian bemerkte, Almuñécar sei ein netter Ort und ob das Wetter hier immer so schön sei.
    Als sie auf dem Hotelparkplatz hielten, wies Joana Kilian an, doch schon vorzugehen, sie müsse noch telefonieren. Aber das war nur eine Ausrede. Auf weiteren Hoteltratsch über sie und den »hübschen« Deutschen konnte sie gut und gern verzichten.
    Sie wählte die Nummer ihrer Mutter und

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