Pata Negra: Kriminalroman (German Edition)
Guardia Civil, der sie über den aktuellen Stand der Untersuchungen informierte, aber sie machte sich auch ihre eigenen Gedanken. Wäre nicht Kilians Bruder auf die gleiche Art und Weise zu Tode gekommen wie ihre Mutter, so hätte sie durchaus an einen Suizid Inmaculadas glauben mögen, aber wenn man die letzten tragischen Ereignisse bedachte, dann musste man andere Schlüsse ziehen. Welche das sein könnten, wusste sie nicht. Sie konnte sich nicht vorstellen, wer ihre Mutter vergiftet hatte.
Kilian verbrachte die meiste Zeit nach seiner »Freilassung« in seinem Zimmer und mied die Lobby, durch die er wie ein Verbrecher geschleift worden war. Er versuchte, das Geschehene zu verarbeiten: Xavers Tod, der von Inmaculada, die Reise seines Bruders mit dem schwulen Dänen und die Verdächtigungen gegen ihn selbst. Er telefonierte erneut mit dem Konsulat und erklärte, dass er momentan das Land nicht verlassen könne, weil er seinen Reisepass hatte abgeben müssen. Er bat Frau Schimmler, sich bei der Guardia Civil nach dem Stand der Ermittlungen zu erkundigen, aber ihre Hilfsbereitschaft sank gegen Null, als sie erfuhr, dass gegen Kilian ermittelt wurde. Kilian sprach auch mit Philipp in München und informierte seinen Partner, dass Xaver immer noch im Kühlschrank des gerichtsmedizinischen Institutes lag und sich seine Rückreise dadurch etwas verzögerte. Dass er zurzeit das Land nicht verlassen durfte, weil man ihn verdächtigte, seinen eigenen Bruder ermordet zu haben, behielt er für sich.
Kilian dachte viel an Joana und an die Ohrfeige und gab sich selbst die Schuld wegen seiner Geheimniskrämerei. Er war Joana gegenüber nicht offen genug gewesen, aber wie hätte er das mit seiner Vorgeschichte auch sein können? Die Guardia Civil musste ihn befragen, nachdem sie durch die Kripo in München an die entsprechenden Informationen gelangt war, aber sie hätten Joana gegenüber nicht erwähnen dürfen, dass er etwas mit dem Tod ihrer Mutter zu tun haben könnte. Für die temperamentvolle Joana war das Grund genug gewesen, ihm eine zu scheuern. Aber er nahm es ihr nicht übel, er mochte ihr Temperament, das plötzlich aufflammen und binnen Minuten wieder abkühlen konnte.
Bei Cornelia hingegen war das etwas ganz anderes. Sie verletzte ihn mit Blicken und mit Gesten, was wesentlich schmerzhafter war und zudem länger andauerte. Kilian nahm eine seiner Psycho-Pillen und stellte dabei fest, dass der Vorrat sich dem Ende neigte. Er zappte gerade durch das sinnlose Fernsehprogramm, als es an der Tür klopfte. Seine Uhr zeigte 23.40 Uhr. Kilians Herzschlag beschleunigte sich. Er zog sich ein Shirt über, schlich zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. War es die Guardia Civil oder war es der Hoteldirektor, der ihm vermutlich nahelegen würde, sein Haus zu verlassen? Kilian straffte sich und öffnete die Tür.
»Joana!«
»Hallo, Kilian.«
»Was machst du hier? Arbeitest du denn schon wieder?«
»Seit heute Nachmittag. Ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Darf ich reinkommen?«
»Bitte … das ist ja eine Überraschung! Und ich dachte schon, ich seh dich nicht wieder, wegen … na, du weißt schon …« Er trat zur Seite.
Sie nickte, als habe sie das bis vor Kurzem auch noch gedacht. »Ich wollte unser Gespräch von der Guardia Civil fortführen. Aber ohne Beamte. Danach werde ich mich bei dir entweder für die Ohrfeige entschuldigen oder dir noch eine verpassen.« Sie trat ins Zimmer, aber Kilian meinte, den Anflug eines Lächelns beobachtet zu haben.
»Aha, in dem Fall sollten wir vielleicht doch einen Polizisten bitten, bei diesem Gespräch dabei zu sein.« Er schloss die Tür und schaltete den Fernseher aus. Dann folgte er Joana auf die Terrasse, wo sie sich auf einen Plastikstuhl setzte.
»Willst du etwas trinken?«, fragte er.
Joana schüttelte den Kopf und zeigte auf den Stuhl neben sich, als wäre sie die Gastgeberin. »Im Ernst jetzt, ich habe viel nachgedacht in den letzten vier Tagen, vor allem über meine Mama und ihren Tod, aber auch über dich und über die Dinge, die du erzählt hast.«
Joana sah zum Sternenhimmel hoch und Kilian wartete, bis sie weitersprach. »Ich sollte eigentlich nicht hier sein«, sagte sie. »Hotelangestellten ist es nicht erlaubt, sich privat in den Zimmern aufzuhalten, und dann kommt noch hinzu, dass du im Gefängnis warst, weil du deine Mutter … Nun, was ich sagen will, ist, dass du kein besonders guter Umgang für mich bist. Aber trotzdem bin ich hier, weil das
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