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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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drangsalierten sie. Der einzige Weg, den Schmerz zu betäuben, war, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, und mit dem Rätselheft war sie durch. Sie kramte Heft 1 heraus. Vorne drauf stand »Meine Geschichte«. Ihr Mund stand offen und ihre Kopfhaut prickelte. Es war nicht richtig.
     
    Ich nenne mich George.
    Das hatte sie nicht gewusst. Er war einfach nur Mr. Johnson.
     
    Ich stamme aus Harrogate, bin ein Junge aus Yorkshire. Es gibt eine kleine Straße, die an einem Rasen und einem Tennisplatz mit hellrotem Schotter vorbeiführt. Auf der anderen Seite stehen Häuser mit gemähtem Rasen. Am Ende der Straße sind ein paar Bäume und ein Zaun mit einem Tor. Hier scheint anscheinend immer die Sonne, und die Blumen sind größer als ich. Fingerhut heißen sie, glaube ich. Aber in meiner frühesten Erinnerung an diesen Ort regnet es. Meine Mutter hatte ein Schutzdach für meinen Kinderwagen gemacht …
     
    Nancy schlug das Heft zu. Es war Unrecht. Aber sie griff in die Tüte und holte ein anderes Heft heraus, neugierig, was Mr. Johnson zugestoßen war, als er erwachsen wurde.
     
    Ich hatte sie schon einige Male gesehen, immer abends. Sie stand unter einer Straßenlaterne, die Hände stets auf dem Rücken. Das Erstaunlichste war ihre weiße Haube. Sie sah aus wie ein Zelt ohne Spannleinen.
     
    Es klingelte an der Tür.
    Nancy legte das Heft beiseite, fasste sich und verkaufte Mr. Presser – einem Händler für hochwertige Secondhand-Ware – einen Spiegel. Er schnüffelte ständig herum und fragte, wo ihr Mann so gute Sachen auftrieb. Sie erzählte ihm nichts. Als er fort war, knotete sie Mr. Johnsons Tragetasche zu und steckte sie in die unterste Schublade des Aktenschranks.
    Aber jetzt war sie ihren Gedanken ausgeliefert. Sie sackte auf ihren Stuhl, kniff die Augen zu und presste die Hände auf die Ohren. In dieser inneren Dunkelheit spürte sie den geduldigen »Beistand« von Mr. Wyecliffe. Dieses Wort benutzte er oft. Sie hatte ihn für einen Hexer gehalten. Wie sonst hätte er das Unmögliche schaffen können?
    Nachdem gegen Riley Anklage erhoben wurde, zerrte man ihn vor einen schweinchenhaften Richter mit Triefnase, der ihren Mann, zwischen Niesern, zur Untersuchungshaft nach Wormwood Scrubs schickte. Aber Mr. Wyecliffe holte ihn innerhalb einer Woche wieder heraus. Ohne besondere Beziehungen oder gerissene Tricks. »Nur mit wohl gesetzten Worten, Ma’am«, sagte er und schwenkte ein graues Taschentuch. »Alles, was jetzt noch meines Beistands bedarf, ist der Prozess.« Er schniefte und zwinkerte, als habe er sich noch nicht überlegt, wie er es anpacken sollte.
    Der Anwalt hatte Riley nach Hause gebracht und war zu einer »Vorbesprechung« geblieben. Sie saßen im Wohnzimmer und tranken Onkel Berties »Gift«. Riley war gedemütigt und sprachlos und konnte Nancy nicht ansehen. Er zitterte.
    »Wir nehmen einen Verteidiger«, sagte Mr. Wyecliffe gewichtig, um das Schweigen zu brechen. »Ich besorge den besten.«
    »Ich weiß, wen ich haben will.« Es war das Erste, was Riley sagte. Er starrte auf eine Stelle neben Nancys Füßen und bat um ein paar Sandwiches.
    Als sie zurückkam, machte Mr. Wyecliffe sich gerade Notizen und Riley wirkte tödlich ruhig. Das Zittern hatte aufgehört. Er sprach leise, während der Anwalt sich voll stopfte, als hätte er nicht gefrühstückt. Ihr Mann starrte auf den Teppich und sagte: »Woher zum Teufel soll ich wissen, was die Mieter treiben? Ich bin ja kaum mal drüben. Fragen Sie doch meine Frau.«
     
    »Das werde ich, zu gegebener Zeit«, versprach Mr. Wyecliffe. »Könnte ich vorerst noch ein Sandwich bekommen?«
    Nancy gab ihm ihres.
    Wie sich herausstellte, waren die Mieter alle mit der Miete im Rückstand. Letzten Endes hatte Riley sie vor die Tür gesetzt. Deshalb hatten sie falsche Vorwürfe gegen ihn erhoben, sagte er.
    Mr. Wyecliffe nickte bedächtig und pickte die Krümel von seinem Knie. Dann leckte er sich die Finger und fragte: »Aber was ist mit Bradshaw? Er ist Ihr eigentliches Problem.«
    »Ich habe seine Mädchen auf die Straße geworfen. Jetzt will er mich dafür zahlen lassen.«
    »Das ist eine Mutmaßung.«
    »Warum sollte er sonst lügen?«
    »Bradshaw ist untadelig.«
    »Ich auch.«
    »Das stimmt.« Nach einer Weile sagte Mr. Wyecliffe, als ob er gerade die Bedienungsanleitung eines Geräts aus Japan gelesen hätte: »Okey-dokey. Bradshaw ist der Zuhälter.«
    Nancy hasste dieses Wort. Es war in ihrem eigenen Wohnzimmer gefallen und

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