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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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hatte einen dicken Schmutzflecken in der Luft hinterlassen, den sie nicht wegwischen konnte. Es hing noch immer da, obwohl Riley freigesprochen wurde und diese grässlichen Leute alle gelogen hatten. Etwas Widerwärtiges war in ihr Heim eingedrungen. Es war wie nach einem Einbruch. Das ganze Aufräumen nützte nichts.
    Nachdenklich sagte Mr. Wyecliffe: »Das Gewäsch über den Pieman erleichtert es ihnen, möglichst wenig über Sie zu sagen; es macht ihre Geschichte kürzer und für alle drei einfacher auswendig zu lernen.« Er musterte seinen leeren Teller. Seine Gesichtszüge verhedderten sich in seinem Bart. »Aber der Verteidiger wird beim Prozess keine Mutmaßungen vorbringen.«
    Riley lehnte sich in aller Ruhe zurück – Nancy merkte es.
    »Wer hat was von Mutmaßungen gesagt?«
    Mr. Wyecliffe legte seine Papiere auf seine schäbige Aktentasche und erklärte: »Ich sollte anmerken, dass niemand Sie vor der Wahrheit oder einer stimmigen Lüge bewahren kann. Es ist eine traurige Tatsache, aber beides ist häufig austauschbar.«
    »Besorgen Sie mir einfach Glendinning.«
    Nancy hielt ihre Tränen zurück; und ihr Mann beobachtete sie zufrieden, ja, erleichtert über ihren Kampf.
    Das Warten auf den Prozess war furchtbar, und sei es auch nur wegen der unvorstellbaren Scham. In solchen Zeiten sollten die eigenen Eltern hinter einem stehen, aber Nancys hatten die Schotten dicht gemacht – sie hatten ihren Mann noch nie gemocht. Und Riley hatte keine Eltern. Selbst Mr. Lawton benahm sich seltsam. Er war immer dafür zu haben, ordentlich zu meckern – über den wirtschaftlichen Niedergang und die Betriebsschließungen –, aber nun blieb er stumm, war ganz streng und kehrte ihr seinen Tweedrücken zu, wenn er mit ihr reden musste. Alle waren auf die andere Seite gewechselt. Eines Tages schaute sie auf und sah Babychams Dauerwelle vor der Milchglasscheibe der Tür. Sie hatten seit Ewigkeiten nicht mehr miteinander geredet.
    »Hör mal, Nancy«, sagte sie, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Chef nicht da war, »wir kennen uns, seit wir so klein waren. Klar, wir sind nicht mehr so dicke wie früher, aber ich bin dir nicht böse. Wir treffen alle unsere eigene Wahl, und du hast deine getroffen. Aber ich bin es dir schuldig, offen zu reden. Wieso vertraust du ihm eigentlich?«
    Nancy haute es um. Nicht nur weil Babycham unverhohlen unterstellte, dass Riley im Unrecht war. Es lag an dem Wort »vertrauen«. Nancy hatte etwas völlig Offensichtliches nie registriert: Ihr Mann sagte immer, er vertraue ihr, obwohl in Wahrheit sie ihm vertraute.
    »Mach dich aus dem Staub, Mädchen«, sagte Babycham. »Wir stehen alle hinter dir, ehrlich. Wir haben uns zusammengesetzt.«
    Nancy war völlig durcheinander, wütend und fühlte sich irgendwie kalt und entblößt bis auf die Unterhose. »Verschwinde«, stieß sie keuchend hervor und fand irgendwie genügend Atem, um hinzuzufügen: »Riley hat immer schon gesagt, dass bei dir alles nur heiße Luft ist.«
    Als es dunkel wurde, schloss Nancy den Laden ab und ging auf dem Treidelpfad am Limehouse Cut nach Hause, vorbei an Barken und Kähnen, die am Kanalufer vertäut lagen. Unterwegs fand sie einen Ziegelstein für ihr Kräuterbeet. Sie warf ihn auf den Haufen, aß ein gekochtes Ei und schaute sich im Fernsehen eine Sendung über liberianische Schifffahrtsbestimmungen an. Nach den Nachrichten ging sie ins Bett, schlief unruhig und wartete auf Riley.
    Im Zimmer war es stockfinster, als er ins Bett kroch.
    »Nancy?« Er wartete und flüsterte noch einmal: »Nancy?«
    Sie zuckte nicht mit der Wimper. Nach einer Weile streckte er die Hand aus und streichelte minutenlang ihre Nase, ihre Lippen … jede Stelle ihres Gesichts, wie Mr. Johnson es mit der Figurinenlampe getan hatte. Dann scheute er zurück, als hätte er etwas Unrechtes getan.
    So war es oft. Wenn Riley ein Haus entrümpelt hatte, kam er erst nach Mitternacht nach Hause – sie wusste nicht, wo er gesteckt und was er gemacht hatte, es kümmerte sie auch nicht –, aber anschließend kam er mit zitternden Händen ins Bett. Niemand hatte sie je so empfindsam (dieses Wort hatte sie von einem Arzt gehört, der damit Schmerzen gemeint hatte, aber sie dachte dabei an diese heimlichen Momente) berührt.
    Noch im Einschlafen genoss Nancy den Nachhall dieser rätselhaften, heimlichen Zuneigung. Neben ihr fing Riley an zu stöhnen und unten lief Arnold so schnell, wie seine Beinchen ihn nur trugen.

6
    »DU HAST NOCH einen

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