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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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einen Wechsel der Identität oder an eine verbrannte Lebensgeschichte gedacht.

11
    JE NÄHER GEORGE nach Mitcham kam, umso bleierner wurde sein Körper. Er schleppte sich über die Aspen Bank, vorbei an den erleuchteten Fenstern der Straße, in der er gewohnt hatte. Die Fernseher liefen, und die Vorhänge waren gegen die Dunkelheit zugezogen. Gegenüber von Georges Haus war ein Kinderspielplatz hinter einem Grasstreifen, der im Schatten lag. Ein niedriger Zaun und ein kleines Tor verliehen ihm eine gewisse Wichtigkeit. George setzte sich auf ein Karussell und ließ ein Bein über den Asphalt schleifen. Er musterte das Haus Nr. 37, als ob es in Wirklichkeit gar nicht da wäre, als ob es verschwinden würde, sobald man es berührte. Emily war oben. George sah ihren Schatten, sie bewegte sich schnell.
    Eine ungewöhnliche Ruhe breitete sich über ihn. Es war ein feierlicher Augenblick – einer, den er gern mit Nino geteilt hätte: Sein Leben auf der Straße stand kurz vor seinem Ende; er war rund um die Erde gegangen und hatte es zurück zu seinem Ausgangspunkt geschafft. Er stieß sich mit einem Fuß ab, und das Karussell drehte sich sanft schaukelnd um seine Achse. George sah sein Zuhause, die Bäume, die fernen Hochhäuser, die Lichter von Aspen Bank und dann wieder sein Zuhause. Immer weiter drehte er sich im Kreis und fasste nach und nach Mut, um den Grasstreifen und die Straße zu überqueren.
    Oben ging das Licht aus.
    Unten ging das Licht an.
    George bremste mit dem Schuh, bis das Karussell klirrend hielt.
    Die Haustür von Nr. 37 ging auf und Emily kam auf den Gartenweg. Sie ging ein paar Schritte und streifte eine Handtasche über den Arm. Ihre Haare waren anders, aber ihre Bewegungen, das leichte Zögern, waren gleich.
    George stand auf und schrie stumm: »Emily«. Er brachte seinen Mund und seine Lungen nicht dazu, zu gehorchen. Er war erschöpft. Er schaffte es gerade noch, die Füße zu heben.
    Plötzlich verdunkelte sich das Licht in der offenen Haustür. Ein großer Mann erschien und klimperte mit einem Schlüsselbund. Er hielt ihn ins Licht, um den passenden Schlüssel zu suchen.
    »Hast du alles?«, fragte er nüchtern.
    Emily nickte. Sie schaute hinauf zu den Sternen.
    George konnte seine Beine nicht stoppen. Seine Augen verschwammen, seine Hände schlangen sich umeinander. Er war noch im Schatten, aber kurz davor, in das fahle rötlich gelbe Licht zu treten.
    Die Tür schlug zu, und der große Mann legte einen schweren Arm um Emily. Seine Schlüssel klimperten wieder, und zwei Scheinwerfer leuchteten auf. George trat vom Gras, schwenkte aber stöhnend zur anderen Seite. Er stolperte über eine Gehwegplatte, fing sich wieder und ging die Aspen Bank entlang – den Weg zurück, den er vor ein paar Minuten gekommen und vor einigen Jahren gegangen war.
    Ein Motor sprang stotternd an. Kurz darauf fuhren sie langsam an ihm vorbei, und für einen Augenblick sah George seine Frau. Sie beugte sich auf dem Beifahrersitz vor, der Seitenspiegel rahmte ihr Gesicht. Aber er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, weil der Wagen beschleunigte und weiterfuhr. Am Ende der Straße sah er den Blinker, dann war er allein.
    Wohin gehe ich jetzt, dachte er. Davon hatte Nino nichts gesagt.

12
    DAMALS, VOR JAHREN, hatte Mr. Wyecliffe angerufen, um ihr die gute Nachricht mitzuteilen.
    »Wir haben gewonnen«, rief er, dabei schabte sein Bart über den Hörer.
    Mit flauem Gefühl im Magen wartete sie an der Tür auf ihren Mann. Als er kam, strahlte er nicht und sagte nichts darüber, wie die Anklage gegen ihn sich zerschlagen hatte. Er zog sie nur ins Wohnzimmer und fragte sie, ob sie ihm vertraue. Sie hielt seinem Blick stand und sagte »ja, das tue ich«, aus tiefster Seele und mit all ihrer Kraft, und er küsste sie auf die Wange, als ob Leute da wären, die nur darauf warteten, Beifall zu klatschen. Dann fuhr er weg.
    Riley bot das Haus auf der Quilling Road zum Verkauf an. Er renovierte den Bungalow. Er kündigte seine Stelle. Noch in derselben Woche saß Mr. Wyecliffe im Wohnzimmer und erteilte bei einer frittierten Scheibe Dosenfleisch gute Ratschläge: »Sie könnten es mit indirekter Entlassung versuchen.«
    Riley machte es. Er verklagte Mr. Lawton, weil er ihn gefeuert hätte. Es war ein weiterer Triumph, und die Firma musste ihm Tausende zahlen. Nancy begriff das nie, aber Mr. Wyecliffe verstand sein Handwerk. Anscheinend war niemandem klar, dass dieser zweite Sieg auf Nancys Kosten ging. Sie konnte ja

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