Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
Sohn.« Mrs. Dixon schlurfte nach vorn und zappelte mit den Händen. »Er ist vor Jahren verschwunden, als Junge, und Elizabeth sagte, sie könnte ihn vielleicht ausfindig machen, mit all ihren Kontakten und so … Ich weiß gar nicht, was aus ihm geworden ist … Er war ein guter Junge, wissen Sie …« Die Verzweiflung hatte ihr Gesicht verändert. Sie war ein völlig anderer Mensch. Ihre Stimme klang blechern. »Hat sie eine Nachricht für mich hinterlassen?«
Anselm setzte sich aufs Sofa, in Reichweite der verängstigten, verletzlichen Mutter. »In gewisser Weise ja.« Leise sagte er: »Elizabeth hat mich gebeten, Ihnen zuzuhören.«
»Was?«
»Elizabeth dachte, dass Sie vielleicht mit mir reden wollten«, antwortete er sanft.
»Aber ich habe nichts weiter zu sagen«, erwiderte Mrs. Dixon und zog sich in ihren Sessel zurück. Verständnislosigkeit und Argwohn veränderten ihre Züge erneut. »Hat sie Ihnen was erzählt?«
Anselm antwortete nicht. Er musterte ihr Gesicht und wollte, dass sie herausließ, was sie zurückhielt.
»Hat sie Ihnen was gesagt?« Mrs. Dixons Stimme bebte und wurde schriller.
Der Anwalt in Anselm hätte alles getan, um herauszufinden, was Elizabeth ihm hätte sagen können, aber so etwas wie Barmherzigkeit ließ ihn sagen: »Ich weiß nichts. Aber Sie können mir alles erzählen, es bleibt ganz unter uns.«
Mrs. Dixon sah aus, als hätte man ihr Handschellen angelegt. Mit plötzlicher Würde sagte sie: »Würden Sie jetzt bitte gehen, ich bin ganz durcheinander. Ich hätte nie gedacht, dass sie nicht wiederkommen würde, und ich bin zu alt dafür … Hören Sie, gehen Sie einfach, gehen Sie …«
Anselm erklärte ihr, dass sie nichts zu befürchten habe; dass er sofort gehen und nie wiederkommen würde; dass er ihr seine Telefonnummer aufschreiben würde, falls sie es sich anders überlegen sollte. »Wenn ich weg bin, denken Sie bitte daran, dass mich eine Freundin geschickt hat – Ihre und meine.«
In der Diele blieb Anselm einen Moment vor einem zerknitterten Bild in einem golden lackierten Rahmen stehen. Es war eines jener Bilder aus dem 19. Jahrhundert, wie man sie in Sakristeien und Secondhand-Läden fand: Ein Mann mit herrlich ausgeprägten Muskeln trug das Kreuz Christi und wandte den Kopf nach oben auf etwas Dunkles und Wunderbares in den hohen Wolken.
»Simon von Cyrene«, sagte Mrs. Dixon. Sie hatte mühsam ihre Fassung wiedergefunden. »Es hat meiner Mutter gehört.«
Als Anselm ging, bat sie: »Sagen Sie bitte bei der Stadt Bescheid, dass sie jemanden schicken sollen?«
14
RILEY RASTE ÜBER die Commercial Road, den Houndsditch hinauf in die City. Er parkte auf einer Ladezone an der Cheapside, nicht weit von Wyecliffe & Co.
»Wie schön, Sie zu sehen«, sagte der Anwalt und streckte seine feuchte Hand über Berge von Papieren aus. Sein Gesicht war dunkel, grau und behaart, seine Augen funkelten. Es war Jahre her, seit Riley diesen Raum betreten hatte, aber Mr. Wyecliffe hatte ihn anscheinend erwartet. »Setzen Sie sich doch. Was kann ich für Sie tun?« Seine Silhouette hob sich gegen ein verklemmtes Schiebefenster ab. Wie bei Four Lodges hatte sich auch hier nichts verändert. Nicht einmal die Luft. Es hatte etwas von einer warmen Gruft, aber Riley fror.
»Jemand ist hinter mir her«, platzte er heraus.
»Das Gefühl habe ich auch oft.« Wyecliffe nahm eine Kugel mit einer Blockhütte und einem Rentier. Er schüttelte sie und brachte Schnee zum Rieseln.
»Es ist mir ernst«, fuhr Riley ihn an.
»Mir auch«, antwortete Wyecliffe, beugte sich vor und stützte das Kinn auf seine Stummelfinger. »Erzählen Sie mir, was Sie an diesen beunruhigenden Ort zurückgeführt hat.«
Das war typisch Wyecliffe. Er spielte auf Dinge an, ohne sie zu benennen. Das letzte Mal war Riley hergekommen, als Cartwright versucht hatte, ihm John Bradshaws Tod anzuhängen. Damals war ihm schlecht vor Angst gewesen.
»Ein Kerl namens Prosser hängt ständig bei Nancy rum und stellt Fragen.«
»Vorname?«
»Guy.«
»Na und?«
»Na und?«, flüsterte Riley. »Er will wissen, woher ich mein Zeug kriege, als ob das Geschäft nicht sauber wär.«
»Ist es das?«
»Völlig.«
»Na, dann gibt es ja keinen Grund zur Sorge«, beruhigte ihn Mr. Wyecliffe. Er stockte. »Mr. Riley, wir beide kennen uns schon sehr lange. Rücken Sie einfach mit den anderen Sachen heraus, ich mache mir dann schon ein Bild davon.«
»Jemand versucht, mir Angst einzujagen«, jammerte
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