Patient Null
Skip.
»Nein. Die Fabrik hat Konkurs gemacht. Sämtliche Mitarbeiter wurden zum 15. Februar entlassen.«
»Gut. Aber wenn niemand mehr da ist, warum stehen dann acht oder neun Fahrzeuge auf dem Parkplatz?«
»Tja, das gehört zu den vielen Ungereimtheiten, mit denen wir konfrontiert sein werden«, antwortete ich. »Unter normalen Umständen würde ich sagen, dass sie denjenigen gehören, die die Reorganisation der Fabrik überwachen. Aber da gibt es noch etwas zu beachten: Alle Lastwagen hier sind das gleiche Modell wie der, dem wir aus der Lagerhalle bis hierher folgen konnten.«
»Und was befindet sich auf diesen Lastern?«, wollte Ollie wissen.
»Das wissen wir nicht. Aber wir können nicht ausschließen, dass es sich wieder um diese blauen Container handelt.«
Ollie kniff die Augen zusammen und betrachtete sich die Satellitenaufnahme. »Hat es seitdem Bewegungen gegeben? Ist etwas hinein- oder herausgekarrt worden?«
»Außer einem Wachmann nichts«, antwortete ich.
Top blickte mich fragend an. »Wir haben niemanden außer einer einzigen Wache gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Genau – ein Wachmann, der vier Schichten à acht Stunden schiebt. Von zweiundzwanzig Uhr bis sechs in der Früh. Wir konnten ihn identifizieren. Es handelt sich um einen gewissen Simon Walford. Er ist dreiundfünfzig Jahre alt und arbeitet schon seit über zwei Jahren als Sicherheitsmann für eine Firma in Elkton. Zudem wohnt er in der Nähe der Krebsfabrik.«
»Sonst noch etwas?«, bohrte Skip nach.
»Es deutet nichts darauf hin, dass er Terroristen gegenüber freundlich gesinnt wäre. Er ist Witwer und lebt allein. Kein Militär, keine Verhaftungen, überhaupt keine Mitgliedschaften außer einer Warenhaus-Kundenkarte und
dem einen oder anderen Internet-Forum. Schummelt bei den Steuern. Aber es geht nur um kleine Beträge von seinem Nebeneinkommen – er repariert Zweitakter, Rasenmäher und so weiter. Sein Sohn besitzt ein Geschäft für Rasenpflege. Seine Kontoauszüge verraten nichts Auffälliges: kaum Angespartes, keine Aktien. Alles in allem vielleicht zweitausend Dollar auf der hohen Kante. Er lebt also nicht direkt von der Hand in den Mund, steht aber kurz davor. Sein E-Mail-Verkehr ist sauber. Wenn er im Internet ist, dann hauptsächlich, um alte Klassenkameraden aufzustöbern. Sein fünfunddreißigstes Klassentreffen findet im August statt.«
»Also ein Niemand«, schloss Skip. Bunny und Top nahmen an dieser Schlussfolgerung offenbar Anstoß.
»Hast du nicht zugehört?«, fuhr ihn Top an. »Der Captain hat gesagt, dass wir keine eindeutige Spur haben. Das heißt aber noch lange nicht, dass er ein unbeschriebenes Blatt sein muss.«
»Vertraue niemandem«, meinte Bunny. »Noch nie Akte X gesehen?«
Skip lief rot an.
»Ich habe mir sein Profil durchgeschaut«, fuhr ich fort. »Er sieht okay aus. Aber er könnte so ziemlich alles sein, von Überläufer über heimlicher Missionar bis zu knallhartem Überzeugungstäter, der für die Sache alles gibt. Mehr wissen wir derzeit nicht. Wir müssen abwarten, bis wir ihn vor uns sehen.«
»Ein einziger Wachmann also?«, hakte Skip nach, darauf erpicht, seinen Fehler wiedergutzumachen. »Vier Schichten in der Woche?«
»Eine, von der wir wissen, dass es sie gibt«, verbesserte ihn Church zufrieden mit der Beobachtung. Er lehnte sich vor und schob dem jungen Soldaten die Schachtel mit Müsliriegel zu. Skip zögerte, griff dann aber zu und starrte volle fünf Sekunden lang auf den Riegel, ohne die Verpackung
aufzumachen. Will er das Ding einrahmen?, dachte ich mir.
»Die Anlage ist tagsüber nicht bewacht«, sagte ich. »Wenn Walford nach Hause geht, schließt er das Tor von außen ab. Außer Walford hat offiziell niemand die Anlage betreten oder verlassen.«
»Wenn ich sage, dass das merkwürdig ist, kriege ich dann auch einen Riegel?«, versuchte es Bunny, und Church lächelte. Bunny griff nach einem Schokoladen-Riegel, blickte Church mit fragenden Augen an, riss ihn auf und stopfte ihn sich in den Mund.
Unsere Kopfhörer knisterten, und der Pilot meldete sich. »Landung in vierzig Minuten.«
»Okay, Leute … Auswertung«, sagte ich, und alle rissen sich zusammen.
»Neun Fahrzeuge«, fing Skip an. »Also neun potenzielle Feinde.«
»In einem Lastwagen befanden sich zwei Verdächtige«, korrigierte Ollie, nachdem er noch einmal nachgeschaut hatte. »Macht also mindestens zehn.«
»Halt«, meldete sich Top zu Wort und raschelte mit seinen Papieren. »Auf Seite
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