Patient Null
einen schützenden Kreis um die Frau, die noch immer mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden lag.
Ich richtete mich auf und erblickte Top und Ollie, wie sie auf die Türen zu rannten. Es war offensichtlich, dass sie
zusammenarbeiteten und die Türen sichern wollten. Grace befand sich bereits mit schussbereiter Waffe vor einer weiteren Tür.
Gus Dietrich beugte sich währenddessen über den blutüberströmten Gouverneur von Pennsylvania. Er schützte den Politiker mit seinem Körper und hielt dabei seine noch rauchende Waffe in der rechten Hand. Neben ihm lag ein Secret-Service-Agent mit vier Pfeilen im Gesicht. Unsere Augen trafen sich, und wir nickten einander zu.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass mehrere Kameraleute noch immer aufrecht dastanden, ihre Kameras auf den Schultern. Wahrscheinlich wurde alles in diesem Moment live im Fernsehen übertragen. Wieso diese Kerle nicht in Panik ausbrachen, war mir ein Rätsel, und ich malte mir mit Grauen aus, wie die Zuschauer vor ihren Bildschirmen auf diese Szenen reagierten. Möglicherweise hatten die Sendeanstalten die Übertragung ja auch unterbrochen?
Ich entdeckte Brierly, fasste ihn an der Schulter und zog ihn mit mir zum Podium. Vorerst gab es keine Schüsse mehr, aber dafür war das Schreien der Menge umso lauter geworden. Wir mussten einander in die Ohren brüllen, um uns verständigen zu können.
»Warum haben Sie die Frau erschossen?«, wollte er wütend wissen. Erst jetzt merkte ich, dass er seine Pistole auf mich gerichtet hatte. Ich schlug die Waffe beiseite.
»Andrea Lester war eine Verräterin und Sympathisantin der Terroristen. Sie hat ihre Glocke extra für den Terroranschlag vorbereitet.« Ich zog ihn noch näher an mich heran. »Sie arbeitete zusammen mit El Mudschahid, und Ihr Agent O’Brien gehört zur gleichen Bande. Er hat die Explosion ausgelöst.«
Diese Neuigkeiten trafen ihn sichtlich. »Gütiger Himmel! Wir haben Andrea Lester genau unter die Lupe genommen. Sie hatte alle Checks bestanden und wurde für diese Veranstaltung als sicher befunden.«
»Dann muss ihr ein Insider geholfen haben. Von jetzt ab dürfen Sie niemandem mehr trauen.«
»Ein Insider?«
»Wir haben jetzt keine Zeit, um weiterzureden. Hören Sie mir einfach nur zu: Die Pfeile aus der Glocke sind mit den Erregern verseucht, von denen Ihnen Grace Courtland erzählt hat. Sie kennen den Ebola-Virus? Nun, dieser hier ist um ein Vielfaches schlimmer.« Ich zog ihn bis auf wenige Zentimeter an mich heran. »Wenn auch nur eine Person diesen Saal verlässt, haben wir eine Seuche an der Hand, die alles Vorhergegangene in den Schatten stellen wird. Es gibt keine Heilung.« Die letzten Worte sprach ich langsam und deutlich. »Keine Heilung.«
Brierlys Gesicht spiegelte solch blankes Entsetzen wider, dass ich für einen Moment befürchtete, er würde losschreien. Dann ging er in Deckung, während erneut Kugeln über uns hinwegpfiffen und die Plastikwand der Liberty Bell trafen. Ich drehte mich um. Hinter uns stand ein Mann in der Uniform eines Polizisten und richtete seine Waffe auf uns. Er schoss erneut. Ich stieß Brierly beiseite und eröffnete ebenfalls das Feuer. Der falsche Polizist ging zu Boden.
»Kontaktieren Sie Ihre Männer«, sagte ich zu Brierly. »Niemand darf das Gebäude verlassen. Hören Sie mich? Niemand! Wir brauchen die Armee und das beste Biogefährdungsteam, das Ihnen zur Verfügung steht.«
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blinzelte, während er die Neuigkeiten verdaute. Dann übernahm der Soldat in ihm und löste den Bürokraten ab. »Verdammt, Ledger. Ich hoffe, dass Sie falschliegen.«
»Ich auch. Aber leider habe ich Recht.«
Brierly klopfte an sein Mikrofon und gab dann eine Reihe von Befehlen. Unter anderem befahl er, dass alle zur Verfügung stehenden Truppen die Ausgänge sichern sollten. »Kolibri lokalisieren und sicherstellen.« Kolibri war der
Codename der First Lady. Nachdem er eine Bestätigung erhalten hatte, wandte er sich erneut mir zu.
»Okay. Die First Lady befindet sich in der Sicherheitszone. Die Frau des Vizepräsidenten wird von einem Ihrer Männer und drei meiner Agenten geschützt, bis wir sie ebenfalls in die Sicherheitszone bringen.« Er wirkte wieder etwas gefasster.
»Brierly, Sie müssen ganz sichergehen, dass jeder Ihren Befehl versteht. Niemand darf hier raus – nicht einmal die First Lady. Ist das klar?«
Er starrte mich an, hin- und hergerissen zwischen seiner Aufgabe, die Leute in Sicherheit
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