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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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an. Eqbals Hände waren blutverschmiert und voller Schleim. Er war schweißgebadet, und er runzelte konzentriert die Stirn, während er versuchte, die glitschigen Beine des noch ungeborenen Zickleins zu packen.
    »Ich glaube, ich habe es, Vater!«, rief er, als seine Fingerspitzen die weichen Stränge der Nabelschnur ertasteten. »Die Nabelschnur hat sich um die Hinterläufe gewickelt.«
    Er hörte das Geräusch von Krücken, und kurz darauf blickte sein Vater aus dem Fenster. »Jetzt musst du vorsichtig sein, mein Junge. Die Natur hat es nicht mit der Hast.«
    »Ja, Vater«, antwortete Eqbal. Diese Worte hörte der Vater am liebsten, denn sie spiegelten die gemächliche Art wider, die Eqbal von seinem Vater geerbt hatte. Geduld war für einen Bauern ebenso wichtig wie gutes Saatgut und frisches Wasser.
    Eqbal wickelte einen Finger um die Nabelschnur und zog dann vorsichtig an ihr, um sie über das Beinchen streifen zu können. Er prüfte, ob es noch weitere Komplikationen gab, ehe er mit größter Sorgfalt die Drehung in Angriff nahm. Trotz seiner behutsamen Bewegungen meckerte und blökte die Ziege verzweifelt.
    »Ich habe es geschafft, Vater.«

    »Dann tritt beiseite, und lass die Ziege ihre Arbeit tun«, riet ihm der Vater. Eqbal sah auf, um seinem Vater ins Gesicht zu blicken. Auch dieser war schweißgebadet. Der Schmerz seines gebrochenen Knöchels, der bei einem Sturz in den Bergen zerschmettert worden war, ließ sich deutlich an seiner Miene ablesen. Er war blasser als sonst, aber er lächelte seinen Sohn an, als dieser langsam den Arm aus der Ziege zog. Dann ließ Eqbal sich nieder, um in Ruhe miterleben zu können, was nun geschehen würde.
    Das Meckern der Ziege veränderte sich, und das Zicklein begann, den Geburtskanal entlangzugleiten. Es schien zwar noch immer schmerzhaft zu sein, aber zumindest klang die Mutter nicht mehr verzweifelt, sondern nur noch müde und wund.
    Es dauerte keine zwei Minuten, ehe das nasse, mit Schleim bedeckte Zicklein auf den mit Heu bedeckten Boden fiel. Sofort raffte die Mutter sich auf und leckte ihr Kleines ab. Zuerst kamen Nase, Mund und Augen dran, ehe sie sich an den Rest des Körpers machte.
    »Ein Weibchen, Vater«, meinte Eqbal und drehte sich erneut zu seinem Vater um. Der Gesichtsausdruck des Mannes ließ ihn jedoch erstarren. Statt Erleichterung oder Freude sah er in dessen Miene Schock und Horror.
    »Vater?«
    Da merkte Eqbal, dass sein Vater nicht ihn ansah, sondern den Blick auf etwas gerichtet hatte, was sich hinter Eqbals Rücken abspielte.
    Der Junge wirbelte herum, da er befürchtete, dass es sich um eine Gruppe Taliban handeln musste, die in den Höhlen südlich von Bitar hausten. Oder vielleicht war es auch ein Arbeiter, der die Mohnfelder bestellte und Hilfe auf den Feldern brauchte. Eqbals Hand suchte nach dem Hirtenstab, als er innehielt. Er konnte das Entsetzen, das sich nun auch auf seinem Gesicht breitmachte, in jedem Nerv, jedem Muskel seines Körpers spüren.

    Hinter ihm stand ein Mann.
    Nein, kein Mann. Ein Ding. Es war zwar wie ein Mensch angezogen, trug aber merkwürdige Kleidung. Eine hellblaue Hose und ein kurzärmliges Hemd mit einem V-Ausschnitt. Eqbal hatte so eine Kleidung schon einmal gesehen, als er im Krankenhaus in Balch gelegen hatte. Er wusste, wie Schwestern und Pfleger angezogen waren. Aber was machte so ein Pfleger hier? Die Kleidung des Mannes war schmutzig und hing in Fetzen von ihm herab. Seine Hose, sein Hemd, seine Hände und sein Gesicht waren mit purpurroten Blutflecken besudelt. Sein Mund war blutverschmiert, und die Zähne waren schwarz vor …
    Eqbal hörte den Schrei seines Vaters, und dann verwandelte sich seine Welt in Schmerz und Wahnsinn.

2.
    El Mudschahid saß auf seinem Quad . Er hatte es sich mit einigen Kissen bequem gemacht und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Schreie, die noch vor kurzem aus dem Dorf zu ihm herübergedrungen waren, verstummten allmählich. Er blickte zufrieden auf die Häuser, die etwa dreihundert Meter von ihm entfernt auf dem Hügel standen. Das waren wohl die letzten Bewohner, die das Zeitliche segneten. Er lächelte nicht, verspürte aber eine merkwürdige innere Freude in Gegenwart des Todes. Es war alles wie am Schnürchen gelaufen – reibungslos und schnell. Viel schneller als das letzte Mal. Vier Exemplare, sechsundachtzig Einwohner. Er blickte auf seine Armbanduhr. Achtzehn Minuten.
    Sein Funksprechgerät knackte und knisterte. Er zog es aus seiner Tasche und drückte

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