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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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versuchten. Sie hatten es nicht leicht, denn ihr Patient sah nach gut und gern hundert Kilo aus.
    Mit einem satten Klatschen landete der massige Körper auf dem Rücken. Graues Haar klebte kraus über dem weißen, aufgedunsenen Gesicht. Über den mit Flusswasser durchtränkten Lodenmantel legte sich augenblicklich eine dünne Schicht Frost.
    Paul trat näher. Er richtete sein Objektiv auf den Kopf des Mannes. Er zoomte heran, starrte durch die Optik – und konnte nicht auslösen, so sehr schockierte ihn das, was er sah. Trotz der zur Fratze verzogenen Gesichtszüge erkannte Paul, dass der Mann vor ihm auf dem schneebedeckten, gefrorenen Boden Helmut Densdorf war.
    Blohfeld fand als Erster die Sprache wieder: »Würde es nicht so verdammt unglaublich klingen, dann hätten wir es hier mit unserem hochverehrten Herrn Tourismusamtsleiter zu tun.«
    »Aber das kann doch nicht sein!«, platzte es aus Paul heraus.
    Der Reporter taxierte ihn unwirsch. »Wieso denn nicht? Auch Bonzen können ertrinken, wussten Sie das nicht?«
    »Er lebt!«, durchbrach der Notarzt das aufgeregte Gemurmel.
    Paul war wie gebannt und ertappte sich dabei, das Geschehen nun selbst wie ein Schaulustiger zu verfolgen – tatenlos und selbstvergessen.
    Er beobachtete das konzentrierte Agieren des Arztes, der zunächst eine Mund-zu-Mund-Beatmung versuchte, dann den Rettungssanitätern knappe Instruktionen gab und einen kleinen Koffer aus Hartplastik öffnete. Innerhalb von Sekunden hatte einer der Sanitäter den Brustbereich des Patienten frei gemacht. Der Arzt holte zwei schalenförmige Platten aus dem Koffer, an denen Drähte hingen.
    Paul ahnte mehr als zu wissen, was jetzt kam: Offenbar hatte der Arzt ein Herzkammerflimmern festgestellt und wollte nun einen Defibrillator zum Einsatz bringen.
    Tatsächlich setzten die Sanitäter die Platten auf die Brust des Verunglückten, während der Notarzt weitere Anweisungen an seine Helfer gab und einen Knopf drückte. Der Körper des Tourismusamtsleiters bäumte sich auf. Aus seinem Mund sprudelte Wasser, vor seinen Nasenlöchern bildeten sich Bläschen. Der Arzt legte sein Ohr auf Densdorfs Brustkorb. »Noch einmal!«, schrie er.
    Abermals bäumte sich Densdorf wie unter Krämpfen auf, um gleich darauf leblos zusammenzusacken. Der Arzt prüfte erneut den Herzschlag. Er stutzte, dann winkte er einen der Polizisten zu sich heran.
    »Was ist denn jetzt los?«, herrschte Victor Blohfeld seinen Fotografen an.
    »Das musst du schon selbst herausbekommen«, gab der alte Lenny grimmig zurück. »Ich erledige nicht die ganze Arbeit für dich.«
    Die beiden gifteten sich noch eine Weile an, während Paul weiterhin durch den Sucher seiner Kamera blickte. Er hatte jetzt so weit herangezoomt, dass er nur noch den halb offen stehenden Mund Densdorfs im Blickfeld hatte.
    Er sah, wie sich Worte auf den Lippen des Sterbenden formten.
    Der Polizist, der sich dicht über Densdorf gebeugt hatte, blickte erstaunt auf. »Dürer«, stieß er ungläubig hervor, »er hat etwas über Dürer gesagt.«

2
     
    Die Brötchen waren nicht die besten. Das heißt: Sie waren nicht das, was Paul Flemming von ihnen erwartete. Die Brötchen, die sich vor ihm in der Auslage stapelten, waren groß wie die Handteller eines Maurers, außen zu dunkel und innen zu luftig. Im Stadtteil St. Johannis, wo er aufgewachsen war, gab es kleine, knackige Brötchen in seiner Lieblingsbäckerei. Sein neuer Bäcker stand eher auf Masse statt auf Klasse. Immerhin führte er nebenbei die gängigen Tageszeitungen. Auch die, für die der Fotograf Lenny und Polizeireporter Victor Blohfeld arbeiteten. Flemming griff sich das Lokalblatt und wartete, bis er an der Reihe war. Auf der spiegelnden Oberfläche des Glastresens konnte er sein leicht verzerrtes Ebenbild sehen: eine hochgewachsene Gestalt mit dunklen Augen, dichtem schwarzem Haar, das vereinzelt von ersten grauen Strähnen durchsetzt war, ein markantes Gesicht mit einem leicht spöttischen Zug um den Mund – kritische Beobachter mochten es als eine gewisse Art von Arroganz auslegen. Paul war sich seiner Wirkung durchaus bewusst. Und er ahnte: Er war in der kleinen Bäckerei mit der abgenutzten Theke und dem beschlagenen Auslagefenster ebenso bekannt wie unerwünscht. Der Bäcker, ein Mittsechziger, wohl beleibt und seit fünf Generationen im Burgviertel fest verwurzelt, hätte auf diesen nörgelnden Kunden, der kaum seinen Mund zum Grüßen aufbekam, sicherlich gut verzichten können. Noch dazu, wo es sich

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