Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
durfte. Paul überließ den Obdachlosen seiner Verantwortung und verabschiedete sich aus dem Goldenen Ritter.
Er schloss die pastellblau lackierte Lokaltür hinter sich und lief geradewegs Lena Mangold in die Arme. Sie war trotz der anhaltenden Kälte wie immer schick und geschäftsmäßig gekleidet: Sie trug ein eng anliegendes beiges Kostüm und darüber eine mit Kunstpelzrevers versehene Jacke im gleichen Farbton.
»Hey, Lena!«, grüßte Paul salopp, um seine Überraschung zu überspielen. »Ich war gestern auf deiner Baustelle im Dürerhaus. Du warst leider nicht da. Gut siehst du aus.«
»Wenn du auf meine fahle Gesichtsfarbe anspielst: Dafür kann ich mich bei Herrn Dürer bedanken.« Lena verdrehte genervt die Augen. »Der Stress mit den Sanierungsarbeiten geht mir stärker an die Nerven, als ich es mir eingestehen wollte.«
Paul lud sie spontan zu einem Kaffee bei sich zu Hause ein und überließ ihr den Vortritt auf dem schmalen Gehsteig entlang den bauchigen Wänden vierhundert Jahre alter Bürgerhäuser.
Lena ging durch den Flur, und man merkte an ihrer Unbefangenheit, wie vertraut sie mit der Umgebung war. Eben eine alte Bekannte, die schon oft hier gewesen war und sich auskannte. Im Vorbeigehen grüßte sie die lädierte Mokkabraune. »Hübsche Kreolen trägst du, Süße.«
Paul stellte sich an seine Espressomaschine und Lena machte es sich auf seiner Couch gemütlich. Sie griff sich ein Fotomagazin, streifte die Schuhe ab und winkelte die Beine an.
»Mit aufgeschäumter Milch?«, fragte Paul und ließ das silberne Ungetüm laut zischend Wasserdampf ausstoßen.
Lena drehte das Magazin in ihren Händen um neunzig Grad und betrachtete das aufgeschlagene Bild mit leichtem Missmut.
»Warum müsst ihr Fotografen eigentlich immer nackte Frauen aufnehmen?«
Paul wandte sich von der brodelnden Maschine ab. »Lass mich doch meinen Spaß haben«, verteidigte er sich mit einem lausbubenhaften Lächeln.
»Dann aber bitte mit Frauen, die es wert sind.«
Paul servierte den Milchkaffee. »Mit wem genau?«, fragte er und setzte sich zu ihr. Er atmete tief ein und schnupperte ihr Parfüm. Schwer, tulpenhaft und süß, im Grunde der Duft einer reifen Dame. Aber an Lenas Körper verströmte das Parfüm die jugendliche Frische einer Sommerwiese.
Das Kokette verschwand kurz aus ihrem Lächeln, als würde ihr genau in diesem Augenblick bewusst werden, dass sie kein Teenager mehr war und das Gespräch pubertäre Züge annahm. Doch schnell hatte sie ihre Sicherheit wiedergefunden und klopfte ihm anzüglich auf den Oberschenkel. »Du musst dich nur mir offenen Augen umsehen, mein Lieber.«
»Vorsicht«, warnte Paul sie scherzhaft. »Jeder Fotograf hat seine ganz eigene Technik.«
»Hm«, Lena schaute ihm geradewegs in die Augen. »Es gibt jemanden, bei dem würde ich gern erfahren, welche Technik er drauf hat. Und mit diesem Wunsch bin ich wohl nicht allein, Mr. Clooney.«
»Auf wen spielst du an?«, fragte er.
»Dein Christkindchen zum Beispiel.«
»Lächerlich«, tat Paul die Sache ab und fand den Spaß plötzlich gar nicht mehr so komisch.
»Okay, mag sein, dass du ihr tatsächlich zu alt bist. Wie steht es dann mit deiner Friseuse, oder nehmen wir die kleine Brünette vom Obststand. Die hat einen gefährlich verliebten Blick. Ich an deiner Stelle würde mich vorsehen«, neckte sie ihn.
»Was soll denn das jetzt heißen?«
»Ich halte meine Augen offen – im Gegensatz zu dir.«
»Jetzt komm zurück auf den Teppich, Lena. Was weißt du von meiner Gemüsefrau?«
»Nennen wir es weibliche Intuition«, sagte sie. »Vielleicht schätzt du deinen Marktwert in der Damenwelt zu niedrig ein, Paul.«
»Danke für das Kompliment«, sagte er ein wenig bärbeißig, »aber ich komme mit meinem Marktwert ganz gut zurecht.« Er wandte seinen Blick ab, betrachtete das Fotomagazin. Da fielen ihm die Negative vom Christkindlesmarkt ein. Sie steckten noch immer in seiner Fototasche in der kleinen Truhe, wo sie zwar in Sicherheit waren, was auf Dauer aber kein besonders geeigneter Aufbewahrungsort war.
Paul schätzte Lenas Gesellschaft und fühlte sich wohl, wenn er mit ihr zusammensaß, im Duft ihres Parfüms schwelgen konnte und wenn sich ihre Arme oder Knie bei der ein oder anderen Bewegung berührten. Er sah seine ewige Flamme an und hatte plötzlich das Bedürfnis, sie ins Vertrauen zu ziehen.
»Ich habe da etwas, das du sehen solltest«, sagte er.
Paul klärte die staunende Lena kurz über die brisanten
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