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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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Recht mit seiner Art, ihn wie einen Mitarbeiter zweiter Klasse zu behandeln. Fotografen gab es wie Sand am Meer, und jeder gab alles für einen leidlich lukrativen Auftrag. Blohfeld hatte die freie Auswahl.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Paul, als sie nebeneinander in der U-Bahn saßen.
    »Zum Justizpalast.«
    »Oh, nein!«, Paul schwante Böses. »Doch nicht schon wieder! Katinka wird von unserem Besuch nicht gerade begeistert sein.«
    Blohfeld hob beschwichtigend die Hände. »Keine Sorge. Ich werde meinen persönlichen Kontakt zu Ihrer Paragrafenhüterin auf das Notwendigste begrenzen. Wir warten schön brav vorm Hauptportal.«
    Paul konnte sich nicht vorstellen, worauf der andere hinauswollte, und Blohfeld ließ sich Zeit, bevor er sein neuestes Vorhaben preisgab. »Sie haben doch in der Presse verfolgt, dass die Polizei die Witwe des Schreiners verhört hat.«
    »Ja«, sagte Paul, »und auch, dass bei ihr eine Gegenprobe zu den am Tatort gefundenen Spuren gemacht wurde. Nur über das Ergebnis habe ich nichts mehr gelesen.«
    »Heute«, sagte Blohfeld auftrumpfend, »steht sie vor dem Untersuchungsrichter.«
    »Und?«, fragte Paul neugierig. Es nervte ihn, dass Blohfeld sich immer so wichtig machen musste.
    »Er wird sich freundlich mit ihr unterhalten, sich für die entstandenen Umstände entschuldigen und sie dann nach Hause schicken.« Blohfeld dämpfte den Ton, als er erklärte: »Ich habe erfahren, dass die Vergleichsproben nicht übereinstimmen. Es gibt für die Ermittler also keinerlei Grund mehr, sie weiter zu behelligen.«
    »Was wollen wir dann am Gericht?«, fragte Paul entgeistert.
    Der andere sagte prompt: »Sie wird ziemlich sauer auf die Staatsgewalt sein. Wenn wir sie am Eingang abpassen, ist sie womöglich in der Stimmung, ihrem Ärger Luft zu machen.«
    »Es geht also wieder mal ans Witwenschütteln«, folgerte Paul.
    Die U-Bahn hielt an der Bärenschanze. Sie mussten sich zwischen einer Gruppe Senioren vorbeizwängen, die gegenseitig eingehakt die Treppe blockierten.
    »Sie werden die Witwe aus sicherer Distanz abschießen, während ich sie anspreche«, ordnete Blohfeld an.
    »Das können Sie ganz schnell vergessen«, sagte Paul entschieden. »Ich fotografiere nicht aus dem Hinterhalt.«
    »Kommen Sie doch erst einmal mit, Kollege. Sie müssten ja auch daran interessiert sein, endlich mehr Licht ins Dunkel zu bekommen.«
    Paul verlangsamte den Schritt, um nachzudenken. Wie eine Hammelherde zog die Rentnergruppe nun wieder an ihnen vorbei und trabte bedächtig auf den Justizpalast zu. Für Paul war dies nach wie vor kein Ort, an den es ihn zog. Die Lust, einen leibhaftigen mutmaßlichen Mörder oder Totschläger mit eigenen Augen zu sehen – für Paul hielt sie sich gerade nach seinen Erlebnissen der letzten Tage in Grenzen.
    »Kommen Sie!«, trieb ihn Blohfeld an.
    Paul folgte ihm unschlüssig. »Also gut«, willigte er ein. »Ich übernehme die Fotos, aber ich bleibe an Ihrer Seite. Entweder, die Witwe lässt die Aufnahmen zu, oder es wird keine Bilder von ihr geben. Die Arme hat schon genug gelitten.«
    Der Reporter nickte mürrisch.
    Blohfelds Informationen waren offensichtlich wieder einmal sehr präzise. Schon nach wenigen Minuten des Wartens öffnete sich die Tür der Hauptpforte und eine dickliche Frau von etwa fünfzig Jahren, bekleidet mit einem schlichtem grauem Wintermantel, verließ das Gebäude. Blohfeld stieß Paul unsanft in die Rippen, und beide traten auf die verblüffte Frau zu.
    Blohfeld stellte sich und Paul vor und kam dann gleich auf den Punkt: »Die Polizei hat Sie ziemlich unter Druck gesetzt. Wollen Sie auf Rufschädigung klagen?«
    Die Witwe des Schreiners musterte ihn aus kleinen, wachen Augen, in denen Paul Misstrauen und Bauernschläue zu erkennen meinte.
    »Nein«, sagte sie, und Paul begann zu fotografieren. »Ich habe doch ohnehin schon alles verloren. Ohne meinen Mann kann ich den Betrieb nicht weiterführen. Ich habe keinen Meisterbrief, und unsere Kinder wollen nichts mit dem Handwerk zu tun haben. Alles ist aus.«
    »Haben Sie selbst eine Theorie, wer hinter dem ganzen Unglück stecken könnte?«, fragte Blohfeld.
    Die Witwe schüttelte den Kopf.
    Hier draußen vor der einschüchternd trutzigen Front des Gerichtsgebäudes wehte ein kalter Wind. Paul fühlte, dass sich niemand lange an einem solchen Ort aufhalten mochte und die Antworten der Frau deswegen so prompt und bereitwillig kamen. Sie wollte wahrscheinlich so schnell wie möglich fort. Ob Blohfeld das

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