Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Pubertät?«
Paul zuckte mit den Schultern und war froh, als endlich die Kellnerin kam, um ihre Bestellung aufzunehmen.
24
Lena machte ihre Androhung von der Dürerhaus-Eröffnung tatsächlich wahr: Sie stand am nächsten Abend mit einem nett verpackten Geschenk vor seiner Tür. Pauls schlechtes Gewissen war riesig, denn er hatte natürlich kein Geschenk für sie besorgt.
»Pack es ruhig aus«, sagte Lena auffordernd, um ihm die Anspannung zu nehmen. »Es ist nichts Besonderes. Betrachte es als nachträgliches Nikolausgeschenk – denn zu einem gemeinsamen Weihnachtsfest mit mir kannst du dich ja offenbar nicht durchringen.«
Paul ließ sich neben Lena auf sein Sofa fallen. Er zog das blassblaue Papier mit aufgedruckten goldenen Engelchen auseinander und staunte: »Ein Sechzehnmillimeter-Weitwinkelobjektiv!«
»Ja«, sagte Lena glücklich. »Du hast erzählt, die Einbrecher hätten so eines bei dir mitgehen lassen. Ich dachte, der Nikolaus könnte ja für Ersatz sorgen.«
Paul drückte Lena spontan an sich und umarmte sie. »Danke«, sagte er. »Aber das Gestohlene war alt und angeschlagen. Dieses hier muss ein Vermögen gekostet haben. Die Lichtstärke ist ja fantastisch!«
»Du übertreibst«, sagte Lena. »Sicher ist der goldene Ring, den du für mich besorgt hast, viel mehr wert.«
Paul grinste verlegen. »Da muss ich leider passen. Aber wie heißt es so schön: Liebe geht durch den Magen. Hast du heute schon etwas Anständiges gegessen?«
»Was hast du denn an Vorräten im Haus?«, fragte Lena voller Elan und schaute sich um.
»Alles für ein Menü à la Goldener Ritter – naja, zumindest reicht es für das Gericht eines Azubis im ersten Lehrjahr.«
Lena öffnete seinen Kühlschrank und brachte zwei schrumpelige Zucchini zu Tage. Aus dem Tiefkühlfach holte Paul eine Packung Fischfilet, während Lena sich an einer Dose Linsen zu schaffen machte. Paul kratzte die letzten Reste Gemüse und Obst zusammen und stellte eine Flasche Champagner bereit.
In einvernehmlichem Schweigen verbrachten die beiden die nächsten eineinhalb Stunden schnipselnd, rührend, kochend und bratend vor dem Herd.
»Kann ich deinen Tisch frei machen?«, fragte Lena und wartete keine Antwort ab, um Platz für ihr gemeinsam vorbereitetes Festessen zu schaffen.
Strahlend und von einem Aperitif eingestimmt, setzten sich beide vor den liebevoll gedeckten Tisch.
»Darf ich die Tageskarte verlesen?«, imitierte Paul Jan-Patrick.
»Sehr gern.« Lena lächelte.
»Zur Vorspeise servieren wir ein Knoblauchsländer Zucchinicremesüppchen.« Salbungsvoll schwang Paul seinen angelaufenen silbernen Suppenlöffel.
»Darf man nachwürzen?«, fragte Lena und zwinkerte ihm zu.
»Aber gern.« Paul reichte ihr die Salzmühle.
Die beiden aßen ihre Suppe, warfen sich zufriedene Blicke zu und schwiegen.
Paul genoss diese Minuten tiefer Verbundenheit, bevor er fragte: »Warst du eigentlich mit der Dürerhaus-Eröffnung zufrieden?«
»Im Großen und Ganzen schon«, sagte Lena.
»Ich fand den Auftritt des Bürgermeisters etwas misslungen.«
»Naja«, Lena lächelte verstohlen, »der Arme stand unter ziemlich großem Druck.«
»Ach ja?«
Lena kicherte in sich hinein. »Allein schon das große Medieninteresse hat ihn überfordert und nervös gemacht. Und dann noch die Gerüchte über seine Frau …«
Paul horchte auf. »Was lassen die bösen Zungen denn verlauten?«
»Nun – es ist ja ein offenes Geheimnis, dass Frommholds Frau etwas mit Densdorf hatte. Frommhold befürchtete sicherlich, dass sich die Leute darüber während der Eröffnungsfeier die Mäuler zerreißen.«
»Ach …«, sagte Paul.
»Vielleicht war dieses Phantom, das auf deinen Fotos zu erkennen war, ja sogar Beate Frommhold. Wundern würde es mich nicht.«
»Nein, nein, die war es ganz sicher nicht …«, stammelte Paul grüblerisch.
Dann riss er sich von diesen Gedanken los und widmete sich wieder seiner – gar nicht mal so üblen – Kochkunst: »Gebratenes Zanderfilet in der Kräuterkruste an Rapunzel-Linsen-Salat«, kündigte er den nächsten Gang an. Das war eine etwas abenteuerliche Zusammenstellung, über deren Verfeinerung er noch mit Jan-Patrick plaudern musste. Aber Lenas Reaktion nach dem ersten Bissen zeigte ihm, dass er richtig lag.
Nach dem hausgemachten Apfel-Marillen-Strudel an Champagnersauce ließen sie den Abend allmählich ausklingen. Lena stand auf, und Paul begleitete sie zur Tür. Sie trennten sich in dem sicheren Gefühl, damals wie heute
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