Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
eines Steve McQueen war früher ein erfolgreicher Rallye-Fahrer gewesen und hatte etliche Preise eingeheimst. Nach einer Pechsträhne hatte er umgesattelt und war nun selbst Rennstallbesitzer mit eigenen Fahrern und Wagen. Jeden dieser Schritte hatte er immer sehr medienwirksam inszeniert. Eine Tatsache, die selbst Paul, dem bisherigen Motorsportmuffel, nicht verborgen geblieben war.
Was soll’s, dachte sich Paul. Er hielt Stromberg zwar für einen arroganten Snob, wollte aber Hannah nicht die Partie verderben und reichte ihm die Hand. Stromberg zögerte einen Moment zu lang, bevor er einschlug. Während er Pauls Hand schüttelte, kam es Paul so vor, als würde Stromberg ihn eingehend mustern.
»Willkommen am Norisring«, sagte Stromberg und wirkte dabei merkwürdig nervös.
Paul hatte im Laufe der Jahre etliche Geschichten über Stromberg gehört und gelesen. Am besten in Erinnerung geblieben waren ihm die Berichte über seine halbseidenen Freunde und das dubiose Umfeld. Und das Gerücht, dass Stromberg seit dem Ende seiner aktiven Rennfahrerlaufbahn permanent von Geldnot geplagt war.
»Sie können sich gern bei uns umsehen, wenn Sie das interessiert«, sagte Stromberg und blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr.
Eine Breitling, bemerkte Paul und folgerte, dass es mit Strombergs Geldnot doch nicht so weit her sein konnte. Er bemühte sich gleichwohl darum, freundlich auszusehen: »Danke, sehr gern. Hannah kennt sich hier ja gut aus.«
Stromberg tätschelte Hannah die Wangen, womit für Paul definitiv klar war, dass er den Kerl nicht ausstehen konnte.
Als Stromberg wieder in seinem VW-Bus verschwunden war, raunte Paul Hannah zu: »Sei mir nicht böse, aber dein Chef ist ein Unsympath.«
Hannah wartete, bis sie einige Meter von dem Kleinbus entfernt waren, bevor sie darauf einging: »Ich weiß, dass sich alle Welt das Maul über Carl Stromberg zerreißt. Aber er bezahlt mich gut dafür, dass ich für ihn ein paar Tage lang das blonde Engelchen spiele. Außerdem wäre das eben Ihre Chance gewesen, als Rennsportfotograf mit ihm ins Geschäft zu kommen und ein paar Fotoaufträge einzuheimsen. Aber Sie mit Ihrer sturen Hochnäsigkeit. . .«
»Moment, Moment«, bremste sie Paul. »Ich wollte dich hier besuchen, mehr nicht. Für die Ablenkung bin ich dir dankbar. Aber die Jobsuche überlass doch bitte mir.«
»Man muss seine Chancen ergreifen«, beharrte Hannah. »Bei Blohfelds Zeitung sind Sie ja vorerst raus.«
»Chancen ergreifen? Dann nehme ich die Chance wahr und schaue mir das Formel 2-Rennen an, das gleich beginnt.«
Paul brachte es fertig, das leichthin zu sagen und dabei sogar zu lächeln. Aber das kurze Zusammentreffen mit Stromberg hatte in ihm etwas ausgelöst. Er fragte sich, wo Strombergs auffällig nervöse Reaktion auf sein Erscheinen herrührte. Ob sich die Sache mit der Toten im Lochgefängnis und Pauls Beteiligung daran inzwischen noch weiter herumgesprochen hatte? Hielt mittlerweile auch ein in der Öffentlichkeit stehender Mann wie Stromberg ihn für einen Mörder? Die Folgen für Pauls weiteres Leben konnten fatal sein.
Vielleicht, kam es ihm wehmütig in den Sinn, wäre er bei Katinka in Berlin doch am besten aufgehoben. Weit weg von dem Ärger, den er hier in Nürnberg hatte.
9
Paul war trotz seiner vorübergehenden Euphorie schon nach wenigen Minuten die Lust daran vergangen, dem Rennen weiter zuzusehen. Er gab seine vorgetäuschte Lässigkeit auf, verabschiedete sich von Hannah und machte sich auf den Weg nach Hause. Dank der guten Straßenbahnverbindung brauchte er nicht lange.
Die Aussicht auf einen unspektakulären Ausklang des Tages in seiner Loftwohnung war ihm durchaus recht.
Während des kleinen Stücks, das er von der Haltestelle bis zum Weinmarkt zu Fuß zurücklegen musste, dachte er noch einmal über seinen Besuch in Herzogenaurach nach. Über seine Eltern, die Kaution, die sie für ihn hinterlegt hatten. Paul machte sich auch noch einmal Gedanken über die Idee seiner Mutter, dass der Tod des Models etwas mit der Ausstellung der Reichskleinodien zu tun haben könnte. Hertha mochte in solchen Angelegenheiten ja durch ihren immensen Krimikonsum etwas voreingenommen sein und zu vorschnellen Schlüssen neigen. Aber – mit etwas Abstand betrachtet – so ganz von der Hand weisen ließ sich ihre Idee nicht: Ein Todesfall im Rathauskeller unmittelbar vor Beginn einer Jahrhundertausstellung ein Stockwerk darüber – dieser Zusammenhang musste einen zumindest stutzig
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