Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
liebsten den klassischen Bleichspargel. Er wird gestochen, bevor er mit dem Licht in Berührung kommt, deshalb bleibt er weiß.«
»Soso«, sagte Blohfeld. »Was empfiehlt denn der Meister?«
Jan-Patrick hatte nun vollends zu seiner professionellen Routine zurückgefunden und rezitierte in einer Sprache, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ: »Nürnberger Goldspargel an lauwarmem Kartoffel-Carpaccio. Das ist leichte Küche: in Dampf gegarte Knoblauchsländer Kartoffeln mit Marinade beträufelt, hauchfeine Zwiebelringe, Radieschenspäne, Pfeffer und Salz. Dazu bringe ich euch einen prickelnden Schaumwein von meinem Stammlieferanten aus Unterfranken.« Jan-Patrick zwinkerte Blohfeld zu. »Der regt die Diskussion an.«
»Jaja«, stimmte der Reporter vergnügt zu, »wie gesagt: Essen, Trinken und Kommunikation sind im Grunde ein und dasselbe.«
Der Koch wollte bereits in die Küche entschwinden, als ihm noch etwas einfiel: »Übrigens, Paul: Diese Spargelvorschläge wären doch auch etwas für deine Geburtstagsparty, oder?«
Paul atmete tief ein und blies die Backen auf. »Party? Mir ist zur Zeit gar nicht danach. Außerdem bezweifle ich immer mehr, dass man das Älterwerden ab vierzig wirklich noch so groß feiern sollte.«
»Spielverderber!«, sagten Jan-Patrick und Blohfeld wie aus einem Mund.
Kaum waren Paul und Blohfeld allein, wurde der Reporter plötzlich ernst. »Also, was ist das für eine Sache, wegen der Sie mich heute Abend unbedingt noch einmal sehen wollten?«, fragte er Paul und sah ihn dabei intensiv an. »Damit das gleich klar ist: Die Zeche für das Essen übernehmen Sie.«
Paul nickte gequält. Dann berichtete er von seinen Erlebnissen des Tages und speziell von seinem Gespräch mit Mechaniker Schumi.
»Schumi?«, fragte Blohfeld distanziert. »Hört sich nicht gerade nach einem soliden Informanten an.« Er fuhr sich mit dem Zeigefinger langsam über den Rücken seiner dünnen Himmelfahrtsnase. Paul fielen dabei die ausgeprägten Augenringe auf, die sich dunkel von dem blassen Gesicht des Reporters abhoben.
»Er ist bereit zu reden, wenn wir ihn dafür bezahlen«, sagte Paul und nannte den Preis.
Blohfeld lachte so laut auf, dass die Gäste der umstehenden Tische zu ihnen herübersahen. »Das ist ja wohl ein schlechter Scherz! Diese Summe ist horrend! Außerdem wissen Sie, dass ich nichts von Scheckbuchjournalismus halte.«
Paul wollte gerade zu einem Gegenargument ansetzen, als Blohfeld die Hand hob:
»Andererseits sehe ich eine gewisse moralische Flexibilität durchaus als Voraussetzung für unseren Beruf«, sagte er und grinste vieldeutig. »Im Übrigen gehöre ich bekanntlich nicht der Ethikkommission des Bayerischen Journalistenverbandes an.«
»Das heißt?«, erkundigte sich Paul vorsichtig.
»Das heißt, dass ich interessiert bin«, sagte Blohfeld, als Kellnerin Marlen den Gruß der Küche auftischte:
»Blätterteigzigarre, gefüllt mit pikant geschmortem Rotkohl an Grüne-Bohnen-Butter«, sagte Marlen mit charmantem Augenaufschlag und zog sich sofort wieder diskret zurück.
Blohfeld steckte die Blätterteigrolle in den Mund wie eine seiner echten Havannas. Es fehlte nur noch, dass er Paul um Feuer bat.
»Sie sind also dabei?«, fragte Paul hoffnungsvoll.
»Ich bin theoretisch dabei«, sagte er kauend. »Mmm. Köstlich, dieses Ding.«
»Was meinen Sie mit › theoretisch ‹ ?«
»Mit › theoretisch ‹ meine ich das Gegenteil von › praktisch ‹ . Denn praktisch ist mein Chefredakteur ein sehr knauseriger Mann. Wenn ich dem mit einem Informantenhonorar oberhalb des Budgets komme, kriegt der aus Angst vorm Verleger das große Fracksausen und sagt nein.«
»Sie werden mir also doch nicht helfen«, folgerte Paul niedergeschlagen.
»Es geht nicht darum, Ihnen zu helfen, lieber Flemming«, stellte Blohfeld klar. »Es geht um eine gute Story. Deshalb habe ich zugesagt – und dazu stehe ich: Ich bin interessiert.«
»Also?«, fragte Paul. »Was genau stellen Sie sich vor?«
Blohfeld schluckte den Rest der Vorspeise hinunter. »Bevor ich Geld locker machen kann, brauche ich Fakten oder zumindest ein paar Details. Bringen Sie den Mann zum Reden!«
Paul zuckte ratlos die Achseln. »Das sagt sich so leicht.«
»Sie kriegen das hin.« Blohfeld klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Sagen Sie ihm einfach, das Geld wäre ihm so gut wie sicher. Das ist zwar eine glatte Lüge, hilft aber ganz bestimmt.«
Jetzt trat Jan-Patrick mit dem duftenden Hauptgang an den
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