Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
kantiges, gepflegtes Gesicht.
»Stimmt etwas nicht mit Ihrem Wagen?«, fragte Jasmin, als sie angekommen waren. Schneller, als Paul erwartet hatte, zog sie wieder ihre Marke hervor. »Wir möchten uns kurz mit Herrn Wormser unterhalten«, sagte sie ebenso höflich wie fordernd. Dann blickte sie den Älteren an: »Lambert Wormser?«
Wormser sah sie mit einem Blick an, den man ebenso gut als überheblich deuten konnte wie als gleichgültig. Er nickte dem anderen Mann zu, der daraufhin die Motorhaube schloss. »Sie können Pause machen, Frank«, sagte er mit einer warmen, tiefen Stimme, die sehr gefestigt klang.
Der junge Mann zog für einen Moment die Brauen hoch, verschwand dann aber, ohne Fragen zu stellen.
Das übernahm dafür Jasmin, die anscheinend gleich zum Auftakt alles auf eine Karte setzen wollte. Paul konnte sich zwar denken, dass sie unbedingt einen Erfolg brauchte, um ihre eigenmächtige Aktion an seiner Seite ihren Vorgesetzten gegenüber rechtfertigen zu können. Aber dass ein Mann wie Wormser sich von ihr einschüchtern lassen würde, bezweifelte er stark.
»Herr Wormser«, legte sie los, »ich muss Ihnen einige Fragen in Bezug auf einen Mordfall im Nürnberger Lochgefängnis stellen.« Jasmin klang in Pauls Ohren längst nicht so selbstbewusst wie sonst. »Außerdem habe ich weitere Fragen zu einem zweiten Fall im Werkstattzelt des Rennstalls, den Sie protegieren.«
O nein, dachte Paul. Das war zu schnell, zu plump – aussichtslos! Was war denn bloß in Jasmin gefahren? Nichts überstürzen, versuchte er ihr wortlos zu kommunizieren.
Er musterte Wormser angestrengt. Doch an dem schien Jasmins Vorstoß abzuprallen. Die Morgensonne umschmeichelte sein in sich ruhendes, in Zufriedenheit gereiftes Gesicht, aus dem eine für sein Alter ungeheure Vitalität sprach.
Jasmin schien selbst zu merken, dass sie nicht allzu forsch vorgehen durfte. Sie hielt inne und versuchte einen anderen Ansatz, um mit Wormser ins Gespräch zu kommen: »Ist es richtig, dass Ihr Vater die Reichskleinodien während des Zweiten Weltkriegs vor den Bombenangriffen in Sicherheit brachte und dass Ihre Familie seitdem eine besondere Affinität zu den Reichsinsignien entwickelt hat?« Jasmin wirkte noch immer aufgeregt und dadurch wenig überzeugend. Wenn sie so weitermachte, dachte Paul, brachte sie sich noch um ihren Job.
Wormser wirkte völlig unbeeindruckt. Er lehnte sich an den Kotflügel des Wagens und legte ganz ruhig seine Hand auf den Fensterholm. »Wissen Sie eigentlich«, sagte er mit seiner Bassstimme, »dass ich nur einen einzigen Anruf tätigen müsste, um Sie los zu sein? Es ist ein Hobby meines Anwalts, junge Heißsporne wie Sie zur Räson zu bringen. Für so etwas berechnet er mir nicht einmal ein Honorar.«
Jasmin schnappte nach Luft. Noch immer hielt sie ihre Polizeimarke in der Hand. Mit geröteten Wangen nahm sie einen neuen Anlauf: »Wir haben Zeugenaussagen, die bestätigen, dass Stromberg einen großen Coup geplant hatte – und zwar in Ihrem Auftrag.«
»Von welchen Zeugen sprechen Sie?«, fragte Wormser wenig gerührt.
»Ein Mechaniker aus dem Rennstall hat. . .«
»Der Mechaniker, der bedauerlicherweise bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen ist?«, unterbrach Wormser sie. »Soviel ich weiß, akzeptieren auch deutsche Gerichte nur lebende Zeugen.«
Jasmin setzte abermals zu einem Vorstoß an, doch die Stimme versagte ihr.
Wormser öffnete die Fahrertür des DTM-Wagens. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.« Er bückte sich, um in das tiefergelegte Auto einsteigen zu können. »Wie heißt es so schön? Nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Ich möchte heute morgen noch ein paar Runden auf der Rennstrecke genießen, bevor der Rummel hier losgeht.«
»Der Mechaniker hatte bereits ausgesagt, bevor das Unglück passiert ist. Ich meine, der Mord«, schob Jasmin hastig hinterher. Sie wurde immer unsicherer.
Wormser ließ sich in den Schalensitz fallen. »Wem gegenüber hat er ausgesagt? Hat er konkrete Anhaltspunkte gegeben? Wenn Sie mir ein Protokoll dieser Aussage zuschicken können, lasse ich es gern einmal von meiner juristischen Abteilung durchsehen. Ich hoffe nur, es gibt keine Ungereimtheiten, denn wie gesagt, ein Toter kann ja schwerlich als Zeuge . . .«
»Es gibt auch einen lebenden Zeugen«, unterbrach ihn Paul. Jasmin warf ihm bei dieser Einmischung einen hektischen Blick zu. Doch Paul ließ sich nicht beirren. Seine Augen ruhten auf Wormsers undurchsichtiger
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