Paul sucht eine Frau
– also – Paul ...«
Das Regal steht gerade. Alle Bretter sind dort verschraubt, wo sie hingehören. Lara ist sprachlos.
Aber begeistert.
Das scheint auch Paul zu bemerken.
»Ist kein großes Ding. Ich war schon immer handwerklich begabt.«
19
In den nächsten Tage haben Lara und Paul gute Unterhaltungen. Sie lachen viel und arbeiten wenig. Er ist ihr gegenüber offener geworden. Und die Geschichte mit dem Regal macht sie immer noch sprachlos.
Als sie Martin darauf aufmerksam gemacht hat, lief das so ab: Am dritten Tag des fertiggestellten Regals saßen sie gemeinsam am Küchentisch. Martin knabberte geistesabwesend an seinem Frühstücksbrot, während er in die Lektüre der ZEIT vertieft war. Lara starrte ihn an. Erfolglos. Er nahm weder sie noch das Regal wahr. Sie sagte: »Schon das Regal bemerkt?« Er blickte kurz von seiner Zeitung auf und sagte: »Wusste ich's doch, dass Frauen die besseren Handwerker sind.«
Als Lara am Freitag Nachmittag Pauls Wohnung betritt, steigt ihr noch auf der Türschwelle ein ungewöhnlich intensiver Geruch in die Nase.
Sie findet Paul in der Küche. Er wirft gerade Sardellen und Kapern in eine Pfanne.
»Oh, hi«, sagt er. »Reichst du mir mal den Oregano?«
»Wow, Paul. Du kochst?«
»Klar. Ab und zu brauch ich das, um zu entspannen. Den ganzen Tag nur die Nase in Bücher stecken und Texte schreiben, das geht nicht.«
»Das sieht ja super aus. Wo hast du gelernt, so zu kochen?«
Sie reicht ihm die Gewürze und sieht nach den kochenden Nudeln im Topf neben der Pfanne.
»Warte, bis du es probiert hast.«
»Ich bin eingeladen?«
»Na ja, ich kann dich schlecht zusehen lassen, wie ich alleine esse, oder?«
Paul holt eine Flasche Rotwein hervor, »für besondere Anlässe«, wie er sagt. Der Wein und das gute Essen lösen ihre Zungen und sie erzählen und lachen viel.
»Ich hatte ein paar italienische Kumpels in der Schule«, erklärt Paul, als sie ihn auf seine verborgenen Kochkünste anspricht. »Die haben mir was beigebracht. Und irgendwie kann ich beim Kochen entspannen.«
»Du weißt schon, dass ein Mann, der kochen kann, super bei den Frauen ankommt.«
Er zuckt mit den Achseln.
»Lust auf Nachtisch?«, fragt er.
»Auch noch?«
»Nur, wenn du willst. Du kannst im Kühlschrank nachgucken, was es gibt.«
Sie erhebt sich und öffnet die Kühlschranktür. Darin befindet sich eine Auflaufform mit Tiramisu.
»Ich hab das Tiramisu ein bisschen aufgemotzt und Blaubeeren dazu getan. Ich hoffe, das ist okay für dich.«
»Paul. Du bist ein Schatz.«
Nach dem Essen öffnen sie eine neue Flasche Wein und gehen ins Wohnzimmer. Lara sitzt auf der Couch und Paul in seinem Rollstuhl daneben. Er legt Musik auf und sie unterhalten sich. Als sie die dritte Flasche öffnen, ist es nach Mitternacht. Erst als Lara aufsteht, um zur Toilette zu gehen, merkt sie, wie angetrunken sie ist. Sie schwankt durch den Flur, hält sich ein, zwei mal an der Wand fest. Aber dafür fühlt sie sich wie Superman. Oder Wonder Woman. Wie auch immer. Jedenfalls geht es ihr großartig.
»Wie sieht es eigentlich mit deinem Film aus?«, fragt Paul, als sie zurück ins Wohnzimmer kommt.
»Gut«, sagt Lara.
»Ja? Ich wollte dir dein Werk nämlich nicht versauen.«
»Ach, was.«
Sie winkt ab.
»Darf ich dich was fragen?« Vielleicht ist es der Alkohol, der sie so mutig macht. Aber das muss sie endlich einmal loswerden.
»Schieß los«, sagt Paul.
»Da ist was, das geht mir die ganze Zeit durch den Kopf, seit ich mich mit dem Rollstuhlthema beschäftige.«
Okay, wie soll sie die Bombe am besten platzen lassen? Kann sie ihn das wirklich einfach so fragen?
»Was ist?«, fragt Paul.
»Ich weiß gar nicht, wie ich es formulieren soll ...«
»Du willst wissen, ob ich noch Sex haben kann.«
»Woher weißt du ...«
Sie muss unwillkürlich kichern.
Wie er das sagt, klingt die Frage schon sehr direkt. Nicht, dass er das irgendwie falsch versteht.
»Es ist immer dieselbe Frage, die ihr Fußgänger habt, und euch nicht zu fragen traut. Du musst bedenken, ein Rollstuhlfahrer gleicht nicht dem anderen, und ein Querschnittsgelähmter ist nicht wie der nächste.«
»Weiß ich doch ...«
»Manche können tatsächlich nicht mehr, aber das sind eher die Härtefälle. Manche brauchen Hilfsmittel, es gibt da zum Beispiel so eine Art Vibrator für den Mann, den man sich auf den Penis legen kann.«
»Ach ...«
Lara muss wieder kichern, doch sie gibt sich Mühe und fängt sich schnell
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