Paula geht
schaute sie die dreckverklebten Tiere an. Frieda und Käthe stupsten sie bereits freundlich an, um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Camilla beäugte sie misstrauisch aus der hinteren Ecke des Geheges. Das war aus verrostetem Maschendrahtzaun gebaut und musste sicher auch bald erneuert werden. Kein Wunder, dass Frieda ausgebüxt war. Der Zaun hatte mehrere Löcher, die Paula notdürftig mit alten Eternitplatten stopfte, die hinter dem Stall vor sich hingammelten.
Wie lange Ziegen wohl lebten? Um die fünfzehn Jahre hatte sie mal gehört. Wenn die Herrschaften jetzt vielleicht sechs bis acht Jahre alt waren, Frieda vielleicht auch schon älter, dann würden sie sich ja noch ein paar Jährchen Gesellschaft leisten. Paula lehnte sich gegen einen Pfosten und blies in ihre klammen Hände. Also gut, Kleinvieh macht auch Mist. Ich werde jeden Tag eine halbe Stunde misten, dann kommen wir auch vorwärts. Das hatte sie jetzt bereits dreimal getan und immerhin schon zwei Quadratmeter freigekratzt. Jede der drei wollte jetzt genau auf diese zwei Quadratmeter mit der frischen Streu und sie schubsten sich gegenseitig weg. Ziegen mussten doch clevere und reinliche Tiere sein.
Während sie so nachdachte, hatte Paula die erste Wand von den Tapetenresten befreit. Sie machte sich zur Abwechslung daran, die alten Küchenschränke abzuhängen und nach draußen auf die Straße zu tragen. Vielleicht konnte sie noch vor Weihnachten Sperrmüll beantragen. Eine Frau in einem silbernen BMW fuhr vorbei und drehte sich nach ihr um. Paula meinte, einen abfälligen Blick aufgefangen zu haben. Konnte sein, dass sie sich das aber auch nur einbildete.
Viele Kontakte hatte sie noch nicht geknüpft. Obwohl, da waren Peter, Herr Matussek und Jacek. So viele neue Leute hatte sie in den letzten zwei Jahren Nachtdienst nicht kennengelernt. Jacek hatte ihre Vorräte nahezu aufgebraucht, so dass sie heute dringend einkaufen musste. Es gab im Ort keinen Laden, aber einen kleinen Lieferwagen. Vom Wagen weg wurde hier alles von Abrazzo -Schwämmen bis Zwiebeln verkauft, den hatte sie gestern mit seiner Glocke läuten hören. Sie legte den Geldbeutel parat, um schnell aus dem Haus springen zu können, wenn er wieder vorbeikam. Und tatsächlich pünktlich um 11.10 Uhr hörte sie die alte Glocke, die den Wagen ankündigte. Paula nahm zwei große Tüten. „Jacek, was willst du essen?“ brüllte sie die Treppe hoch.
„Huhn mit Erbsen“, schallte es zurück. So ein Witzbold, er wusste genau, dass es noch keinen Strom gab.
Sie eilte die Straße hinunter und um die Ecke zum Dorfplatz. Dort hatte sich bereits eine kleine Schlange gebildet und Paula stellte sich hinten an. Wieder verstand sie die Menschen kaum, gerade die Älteren von ihnen sprachen einen heftigen Dialekt. Das hörte sich gemütlich an, nur dass sie eben nur freundlich lächeln konnte, wenn jemand ein Wort an sie richtete. Sie zuckte die Schultern: „Bin gerade erst hergezogen aus Frankfurt. Sie müssen ein wenig Geduld mit mir haben.“ Verständnisvolles Nicken war die Antwort und die Leutchen vertieften sich wieder in ihr Gespräch.
Als Paula endlich an der Reihe war und nach Hähnchenbrust fragen wollte – wie auch immer sie die zubereiten würde – schob sich eine Frau an ihr vorbei nach vorne. Sie hatte einen akkurat geschnittenen graumelierten Pagenkopf und trug einen dieser toten Füchse, die sich selbst in den Schwanz beißen, um den Hals. „Geben Sie mir bitte ein Pfund Rosenkohl, Butter und zehn Eier, aber schön große.“ Paula blieb der Mund offen stehen. Aber die rundliche Dame im Wagen begann bereits die Sachen zusammenzusuchen.
„Wissen Sie, ich stehe auch hier an. Und zu übersehen bin ich eigentlich auch nicht“, schimpfte sie in Richtung des Fuchspelzes. Die Frau hatte es nicht einmal nötig, sich umzudrehen. Paula zögerte einen Moment, ob sie es einfach lassen sollte. Aber irgendetwas in ihr revoltierte gegen diese Behandlung. Sie trat neben die Frau und sagte noch einmal: „Gnädige Frau, darf ich Ihre Nummer sehen? Ich glaube meine Nummer war vor Ihrer?“ Die Frau im Wagen guckte unglücklich und begann die Einkäufe in eine Tüte zu packen. Die Fuchs-Zicke musterte Paula ganz langsam von oben bis unten, ohne ein Wort zu sprechen. Sie bezahlte mit einem Zehner, ließ sich kein Wechselgeld rausgeben und drehte sich ohne ein Wort auf dem Absatz um.
Paula schnaubte vor Wut, als sie nun an der Reihe war. „Wer war das denn?“
„Die Frau des
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