Paula geht
Frauenfreundschaft, dass beide das Bedürfnis hatten, was zu klären, und sich nicht in komischem Schweigen oder Geschichten ergingen, aus denen kein Mensch schlau wurde.
„Hey, Paula, du bist meine erste neue Freundin seit langem.“
Paula bekam ein warmes Gefühl im Bauch, dass Annemarie sie auch ihre Freundin nannte.
„Bitte, lass uns das vergessen. Ich bin gerade einfach nur so neben mir und Zärtlichkeit gibt es in meinem Leben viel zu wenig mit diesen zwei Männern zuhause, die jeder nur um sich selbst kreisen. Aber ich will nicht schon wieder jammern.“ Ein leichter Schauer durchlief ihre Schultern. „Also, was ich sagen wollte, vermutlich ist das deswegen passiert, nicht weil ich generell auf Frauen stehe.“ Als sie Paulas hochgezogene Augenbraue sah, schob sie hinterher: „Versteh mich nicht falsch, ich finde dich attraktiv und du fühlst dich toll an und ...“
Paula fiel ihr ins Wort, bevor es noch peinlicher wurde. „Ich versteh genau, was du meinst.“
„Also“, Annemarie zögerte und sah Paula wieder unsicher an, „Schwamm drüber?“
Paula schüttelte den Kopf. „Lieber Öl drüber“, kicherte sie albern.
„Nein, zu gefährlich, dieses Öl, verwende das niemals bei deinen Patienten.“ Annemarie gluckste. „Alles klar , jetzt wissen wir‘s endlich, das war das Öl.“
Paula merkte, wie eine Batterie Steine sich von ihrer Brust lösten und sie um Tonnen leichter wurde. „Magst du jetzt vielleicht endlich ein Stück Zupfkuchen, bevor ich mir den um Mitternacht wieder ganz alleine reinstopfen muss?“
Annemarie nickte dankbar. Und ehe sie sich versahen, war der halbe Zupfkuchen verschwunden. Paula hatte schon lange nicht mehr so befreit gekichert und lehnte sich zufrieden und kugelrund zurück. Wenigstens mit Annemarie war es wieder so, dass das Feld zwischen ihnen sich nicht nach Steinen und Tretminen anfühlte. Vielleicht waren da doch Steine, aber eher so ein magischer Steinkreis, den sie nicht mehr betreten würden. Oder doch, wer weiß?
Paula drückte den altmodischen Messingknopf, es schepperte irgendwo in der Ferne des weitläufigen Hauses. Der Eingangsbereich sah aus wie aus der Zeitschrift „Schöner Wohnen“. Zwei sorgfältig gestutzte Buchsbäumchen, ein geschmackvolles Blumenarrangement an der Tür.
Ihr Herz pochte laut. Und sie musste ständig schlucken. Dass sie sich mal so überwinden, ja fast schon demütigen müsste, hatte sie auch nicht gedacht. Aber ihr Kontostand ließ ihr keine andere Wahl. Vor zwei Tagen hatte sie im örtlichen Anzeigenblättchen die Stellenanzeige entdeckt und sofort angerufen. Die Bürgermeisters suchten privates Pflegepersonal für die Mutter des Bürgermeisters, so viel hatte sie bereits herausfinden können.
Die Frau des Bürgermeisters öffnete. Der Pagenkopf saß wie immer ganz adrett eingedreht. Aber ihre Gesichtszüge entgleisten kurz, als sie Paula sah. Immerhin, Paula hatte gewusst, wen sie vor sich haben würde, das verschaffte ihr einen kurzen Vorteil.
„Guten Tag, ich hatte einen Termin wegen der Pflegestelle mit ihrem Mann vereinbart. Ich bin Paula Sommer, jetzt kann ich mich Ihnen endlich einmal offiziell vorstellen.“ Sie streckte der Dame die Hand entgegen. Die hatte sich inzwischen gefangen und berührte kurz Paulas Hand, als wollte sie sich nicht verunreinigen.
„Sie sind das also. Das verändert allerdings einiges.“
„Tut es das?“ Auch wenn Paula aufgeregt war und diese Frau sie innerhalb von Sekunden zur Weißglut brachte, hatte sie beschlossen, um die Stelle zu kämpfen. „Ich habe Ihnen meine Papiere mitgebracht. Daraus können Sie entnehmen, dass ich jahrelange Erfahrungen auf der Onkologie sammeln konnte.“ Paula war sich ganz sicher, dass sie niemand Passenderes hier im Umkreis finden würde.
Die Frau des Bürgermeisters würdigte die Unterlagen keines Blickes. „Bitte nehmen Sie Platz.“ Sie deutete auf ein kleines Sitzarrangement im Eingangsbereich. Also wurde sie nicht mal in die heiligen Hallen vorgelassen.
Paula setzte sich möglichst elegant und sah die nur wenige Jahre ältere Frau direkt an. „Auch in der Palliativbetreuung kenne ich mich aus.“
„Nun, so weit ist es ja noch nicht. Derzeit hat sich ihr Gesundheitszustand gerade stabilisiert und wir sind guter Hoffnung, dass meine Schwiegermutter wieder aus dem Bett aufstehen wird.“ Dabei machte sie ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
Paula nickte. „Kann ich die Dame jetzt kennenlernen? Das ist ja auch
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